Schuldnerberatungsstellen verzeichnen deutlich gestiegene Nachfrage

Schuldnerberatungsstellen verzeichnen deutlich gestiegene Nachfrage
Fachleute schlagen Alarm: Es gebe immer mehr Nachfragen von verschuldeten Menschen nach Beratungsangeboten. Das Problem sei in der "Mitte der Gesellschaft" angekommen.

Berlin, Aachen (epd). Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) warnt vor einer wachsenden Zahl von verschuldeten Menschen. In einer Umfrage hätten fast zwei Drittel der befragten Schuldnerberatungsstellen eine teilweise deutlich gestiegene Nachfrage von Betroffenen vermeldet, sagte der Leiter Schuldnerberatung beim Caritasverband im Bistum Aachen, Roman Schlag, am Dienstag bei der Präsentation der aktuellen Zahlen. Eine stark erhöhte Zahl an Nachfragen von 30 Prozent und mehr vermeldeten 16 Prozent der Beratungsstellen, 49 Prozent registrierten einen Anstieg der Nachfragen von 10 bis 30 Prozent.

Die wirtschaftliche Not vieler Menschen und damit der Bedarf nach Unterstützung und Beratung wüchsen kontinuierlich, sagte Schlag, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) ist. „Die Pandemie hatte bereits diesen Effekt, nun sind es die steigenden Preise, die die Haushalte in finanzielle Schwierigkeiten treiben“, sagte er. Die steigende Nachfrage bringe die Beratungsstellen ans Limit. Die Wartelisten für Termine würden immer länger.

In fast jeder zweiten Beratungsstelle sei die Zahl der Beratungen für Energie gestiegen, berichtete Schlag. Zudem hätten vor allem die Anfragen von Selbstständigen deutlich zugenommen. Man verzeichne eine steigende Nachfrage aus der „Mitte der Gesellschaft“, betonte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft. Überdies stelle man bei den Ratsuchenden fest, dass psychische Belastungen und Krankheitsbilder zugenommen hätten. Die Beratungsstellen berichteten außerdem von einer zunehmenden Nutzung von Tafeln und Sozialläden durch ihre Klienten.

„Es sind grundlegende Existenzfragen, die unsere Klientinnen und Klienten umtreiben - da geht es darum, ob die Wohnung im Winter überhaupt geheizt wird oder ob Essen auf den Tisch kommt“, sagte die Schuldnerberaterin der Diakonie in Köln, Maike Cohrs. In ihrem Bereich habe sich die Zahl der angefragten Beratungstermine vervierfacht. Zugleich hätten viele Menschen aber auch „Berührungsängste“, sich an die Beratungsstellen zu wenden. Dabei sei es besser, sich bei Problemen so früh wie möglich an die Stellen zu wenden.

Die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, Ines Moers, forderte, das Recht auf Schuldnerberatung in das Sozialgesetzbuch XII aufzunehmen und „institutionelle Hürden“ beim Zugang zur Beratung abzuschaffen: „Gute und kostenfreie Beratung ist ein entscheidendes Element, wenn es darum geht, Teufelskreise aus nicht beglichenen Forderungen, Scham und Überforderung zu brechen.“

In der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungsstellen der Verbände haben sich die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen, also Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband und Deutsches Rotes Kreuz, sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. Die AG SBV vertritt bundesweit die Interessen von rund 1.400 Beratungsstellen.