Bundesgerichtshof: Schmerzensgeld für "Schockschäden"

Bundesgerichtshof: Schmerzensgeld für "Schockschäden"

Karlsruhe (epd). Eltern können für den Schock, den sie nach einem sexuellen Missbrauch ihres Kindes erlitten haben, vom Täter Schmerzensgeld verlangen. Voraussetzung dafür ist, dass die erlittene psychische Beeinträchtigung Krankheitswert hat und auf den „Schockschaden“ zurückgeführt werden kann, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil. Danach ist es für einen Schmerzensgeldanspruch aber nicht mehr erforderlich, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung der Eltern über das hinausgeht, was Betroffene beim Tod oder einer schweren Verletzung eines nahen Angehörigen in der Regel erleiden, erklärten die Karlsruher Richter (AZ: VI ZR 168/21).

Im konkreten Fall wurde die Tochter des Klägers im Alter von fünf und sechs Jahren sexuell missbraucht. Der Täter wurde wegen zehnfachen sexuellen Missbrauchs rechtskräftig verurteilt. Bei dem Kind war eine psychische Belastung infolge der Tat nicht erkennbar. Allerdings entwickelte der Vater danach eine psychische Erkrankung, verbunden mit Depressionen und Ängsten. Von Juni 2015 bis August 2016 war er deswegen arbeitsunfähig erkrankt.

Von dem Sexualstraftäter forderte er wegen seines „Schockschadens“ Schmerzensgeld. Das Landgericht Lüneburg und das Oberlandesgericht (OLG) Celle sprachen dem Vater 4.000 Euro Schmerzensgeld zu.

Der BGH verwies das Verfahren an das OLG zur erneuten Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe zurück. Dieses könne geringer ausfallen, da der Vater bereits vor der Tat psychisch angeschlagen war. Allerdings sei ein persönlicher Schmerzensgeldanspruch des Vaters zu bejahen, auch wenn bei der Tochter selbst keine psychischen Schäden erkennbar seien. Der Sachverständige habe aufgezeigt, dass die psychische Beeinträchtigung des Vaters einen für einen Schmerzensgeldanspruch ausreichenden Krankheitswert aufweist und auf den erlittenen Schockschaden zurückzuführen ist.

Dass die gesundheitliche Beeinträchtigung über das Maß hinausgehen müsse, das Betroffene beim Tod oder einer schweren Verletzung eines nahen Angehörigen in der Regel erleiden, sei für einen Schadenersatzanspruch nicht mehr erforderlich, entschied der BGH. An dieser bisherigen Rechtsprechung halte das Bundesgericht nicht mehr fest.