Das Bürgergeld kommt: Bundestag und Bundesrat stimmen Kompromiss zu

Das Bürgergeld kommt: Bundestag und Bundesrat stimmen Kompromiss zu
Nach wochenlangem heftigem Streit stehen am Ende des Gesetzgebungsverfahrens für das Bürgergeld versöhnliche Töne. Ampel-Koalition und Union loben sich gegenseitig als gute Demokraten und beschließen das Bürgergeld mit breiter Mehrheit.

Berlin (epd). Zum Anfang des kommenden Jahres wird in Deutschland das Bürgergeld eingeführt. Bundestag und Bundesrat stimmten am Freitag in Berlin jeweils mit großer Mehrheit dem Ergebnis des Vermittlungsverfahrens zwischen Ampel-Koalition und Union zu und machten damit den Weg für die Reform endgültig frei. Der Regelsatz für einen Erwachsenen steigt damit am 1. Januar um 53 Euro auf 502 Euro.

Das Bürgergeld löst die Hartz IV-Leistungen ab. Es soll nach dem Willen der Ampel-Koalition zu einem Kulturwandel in den Jobcentern führen und die Chancen von Arbeitslosen auf eine dauerhafte Beendigung der Erwerbslosigkeit vergrößern. Die Reform ist eines der wichtigsten Vorhaben der Ampel-Koalition. Die Union hatte über den Bundesrat unter anderem Verschärfungen bei den Sanktionen durchgesetzt.

Der Kompromiss war am Mittwoch im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat erzielt worden, nachdem die Länder mit Regierungsbeteiligung der Union dem Gesetz ihre Zustimmung verweigert hatten. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), lobte im Bundesrat die Einigung und die breite Zustimmung in beiden Parlamentskammern als „Sternstunde der Demokratie“. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, Streit gehöre in der Demokratie dazu. Alle Beteiligten hätten aber bewiesen, dass man in kurzer Zeit zu einer guten Lösung kommen könne.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte: „Wir haben 20 Jahre Debatte über Hartz IV hinter uns.“ Die Auseinandersetzungen seien zum Schluss noch einmal „richtig hochgekocht“. Mit breiter Mehrheit sei nun ein besseres System beschlossen worden, für die betroffenen Menschen und für die Mitarbeiter in den Jobcentern. Die Grundsicherung (Hartz IV) sei im Lauf der Jahre „ein bürokratisches Monstrum geworden“, bilanzierte Heil. Die Reform betrifft rund fünf Millionen Leistungsbezieherinnen und -bezieher sowie 405 Jobcenter mit fast 75.000 Beschäftigten.

Die Regelsätze für Erwachsene und Kinder steigen um 33 bis 53 Euro. Es werden auch die Zuverdienstmöglichkeiten verbessert, insbesondere für junge Menschen. Auszubildenden aus Familien, die auf das Bürgergeld angewiesen sind, wird nicht mehr der Großteil ihrer Vergütung abgezogen. Selbstständige, die auf das Bürgergeld angewiesen sind, behalten ihre private Altersvorsorge.

Die Union setzte durch, dass Sanktionen auch weiterhin vom ersten Tag an ausgesprochen werden können, wenn Erwerbslose sich ihren Pflichten entziehen. Ersparnisse bis 40.000 Euro für einen Erwachsenen und 15.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied werden im ersten Jahr geschont. Die Ampel-Parteien wollten fast doppelt so hohe Ersparnisse die ersten beiden Jahre im Bürgergeld-Bezug unangetastet lassen.

Im Bundestag hatten am Morgen 557 Abgeordnete für das Gesetz gestimmt, 98 lehnten es ab, zwei enthielten sich der Stimme. Die Verhandlerinnen und Verhandler von Regierung und Union hatten zuvor um Zustimmung geworben. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, sprach von der größten Sozialreform seit Jahrzehnten: „Hartz IV ist damit Geschichte.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), betonte, die Union habe im Vermittlungsverfahren erreicht, dass am Grundprinzip des Forderns und Fördern festgehalten werde.

Die Linke und die AfD lehnten das Gesetz aus gegensätzlichen Gründen ab. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Gesine Lötzsch, kritisierte, die Regelsatzerhöhung gleiche nicht einmal die Teuerungsrate bei Lebensmitteln aus. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Götz Frömming, warf Union und Ampel-Parteien „Gekungel“ im Vermittlungsausschuss vor. Seine Fraktion lehnt das Bürgergeld als zu großzügig ab.