Fußballexperte kritisiert Verbände und nimmt Spieler in Schutz

Fußballexperte kritisiert Verbände und nimmt Spieler in Schutz
25.11.2022
epd
epd-Gespräch: Martina Schwager

Groß Hehlen (epd). Der Fußball-Experte und Buchautor Alex Raack beurteilt die Protest-Geste der deutschen Fußballer gegen das FIFA-Verbot der „One-Love“-Kapitänsbinde positiv. Die Nationalspieler hatten sich vor ihrem ersten Weltmeisterschafts-Spiel gegen Japan am Mittwoch beim Mannschaftsfoto demonstrativ die Münder zugehalten. Die Spieler hätten immerhin ein Zeichen gesetzt, das um die Welt gegangen sei, auch wenn dieses jetzt von vielen als zu lasch belächelt werde, sagte Raack dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Raack ist Autor von Büchern über die ehemaligen Fußballprofis Uli Borowka und Mario Basler sowie über Fußballkultur und -fans. „Ich hätte null Bock, mit einem der Spieler jetzt zu tauschen“, sagte der ehemalige Redakteur des Fußballmagazins „11 Freunde“. Sie arbeiteten viele Jahre auf eine Weltmeisterschaft hin. Die Umstände dieses Turniers hätten sie nicht zu verantworten. Dennoch stünden sie jetzt im Fokus und sollten sich positionieren. „Ich finde es zu hart, wie jetzt auf sie eingeprügelt wird.“ Vielmehr sollten die Verbände für die Fehlentwicklungen in die Pflicht genommen werden.

Die Politik des Weltfußballverbandes FIFA und des Deutschen Fußball-Bundes sowie der übrigen nationalen Verbände bei dieser WM demonstriere einmal mehr, wie sehr der Profi-Fußball in seiner Kommerzialisierung normalen Maßstäben entwachsen sei, sagte Raack, der in Groß Hehlen bei Celle lebt und im Zweitjob für den evangelischen Kirchenkreis arbeitet. Durch die weiter steigenden Millionensummen, mit denen bei Gehältern, Spieler-Transfers oder Turnieren in teils undurchsichtigen Kanälen jongliert werde, habe der Sport sich von der Basis entfernt. Damit sei er allerdings auch ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Die Zahl der Zuschauer in den Stadien und vor den Bildschirmen schrumpfe seit Jahren, sagte Raack. „Ich selbst schaue mir den Profi-Fußball nicht mehr an, obwohl ich seit Kindesbeinen für Fußball brenne und selbst lange gespielt habe. Das tut mir in der Seele weh.“ Dafür trainiere er im Verein seines Wohnortes SV Groß Hehlen jetzt die Nachwuchskicker. Der Fußball-Liebhaber rät auch anderen Fans, sich häufiger Amateurfußballspiele vor Ort anzuschauen: „Eintracht Celle statt Bayern München“.

Chancen, das laufende Rad der Kommerzialisierung anzuhalten, sieht Raack hingegen kaum. Vielleicht sei es am einfachsten, wenn die reichen Vereine, wie es schon einmal geplant gewesen sei, eine Art Europa- oder Weltliga gründeten. Dann könne die Bundesliga wieder normaler und spannender werden - ohne Bayern München und Borussia Dortmund, glaubt er.

Ein Lichtblick ist für Raack der Frauenfußball. Allerdings müsse auch der aufpassen, nicht in das gleiche Fahrwasser zu geraten. Auch dort zeige sich etwa beim Serienmeister VfL Wolfsburg bereits, dass Geld eben doch die meisten Tore schieße.