Stiftung: 2023 fehlen fast 400.000 Kita-Plätze

Stiftung: 2023 fehlen fast 400.000 Kita-Plätze
Die Bertelsmann Stiftung schlägt Alarm: Trotz Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz stünden bundesweit deutlich weniger Plätze als nötig zur Verfügung. Ein großes Problem: der Fachkräftemangel.

Gütersloh (epd). Nach Prognosen der Bertelsmann Stiftung fehlen im kommenden Jahr bundesweit rund 384.000 Kita-Plätze. Beim Ausbau der Plätze und einer kindgerechten Betreuung gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland, wie aus dem am Donnerstag in Gütersloh veröffentlichen Ländermonitoring zu frühkindlicher Bildung hervorgeht. Sozialverbände und Gewerkschaften fordern massive Anstrengungen des Bundes, um die frühkindliche Bildung zu sichern.

Gemessen an den Betreuungswünschen fehlten im kommenden Jahr im Westen voraussichtlich bis zu 362.400 Kita-Plätze, in Ostdeutschland 21.200. Um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen, müssten zusätzlich zum vorhandenen Personal weitere 93.700 Fachkräfte im Westen und 4.900 im Osten eingestellt werden, hieß es. Das seien insgesamt pro Jahr zusätzliche Personalkosten von 4,3 Milliarden Euro. Hinzu kämen Betriebs- und eventuelle Baukosten für Kitas.

68 Prozent aller Kita-Kinder werden nach Angaben der Stiftung in Gruppen betreut, deren Personalschlüssel nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht. In Ostdeutschland trifft dies auf rund 90 Prozent der Kita-Kinder zu, doch auch im Westen sei der Anteil mit 63 Prozent zu hoch.

Vor allem in den westlichen Bundesländern sei die Nachfrage der Eltern nach Kita-Plätzen höher als das Angebot. Den größten Mangel an Plätzen macht die Studie in Nordrhein-Westfalen aus: Im bevölkerungsreichsten Bundesland fehlten den Berechnungen zufolge 101.600 Kita-Plätze. In Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen sei hingegen kein Platzausbau erforderlich.

Die größte Hürde auf dem Weg zu genügend Plätzen und mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung bleibe „der enorme Fachkräftemangel“, erklärte die Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung, Anette Stein. Es müsse jetzt „sehr schnell gelingen, viel mehr Personen für das Berufsfeld zu gewinnen“. Der Bund müsse in größerem Umfang in die dauerhafte Finanzierung des Kita-Systems einsteigen.

Das Deutsche Kinderhilfswerk erklärte, Deutschland steuere „sehenden Auges auf eine bildungspolitische Katastrophe zu“. Nötig seien eine „groß angelegte Fachkräfteoffensive“ sowie mehr finanzielle Mittel und bundeseinheitliche Mindeststandards in der Qualität.

Die Personallage in den Kitas sei immer mehr eine Notversorgung, kritisierte die Lehrergewerkschaft VBE (Verband Bildung und Erziehung) in Berlin. Individuelle Förderung zur Behebung von Bildungsungerechtigkeit sei kaum möglich, erklärte der Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Neben einer bundesweit abgestimmten Fachkräfteoffensive brauche es eine „deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen“.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mahnte: „Bund und Länder müssen endlich handeln und massiv in den Kita-Ausbau und in mehr Personal investieren.“ Der Beruf von Erzieherinnen und Erziehern müsse attraktiver gestaltet werden, forderte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Zudem brauche es mehr praxisintegrierte und berufsbegleitende Ausbildungsmodelle, um Quereinsteiger für den Beruf zu gewinnen.

Die Gewerkschaft ver.di warnte vor einem Kollaps des Kita-Systems. Dringend notwendig seien der Ausbau des sozialpädagogischen Ausbildungssystems, eine Erhöhung der Attraktivität der Ausbildung und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen.

Grundlage des jährlichen Ländermonitorings sind den Angaben zufolge Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik und weiteren amtlichen Statistiken. Die Daten wurden mit Stand 1. März 2021 erhoben. Um die Zahl der fehlenden Kita-Plätze zu ermitteln, wurden demnach die Betreuungsquoten der Kita-Kinder im Jahr 2021 mit dem Anteil der Eltern abgeglichen, die im selben Jahr in der Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) einen Betreuungsbedarf äußerten.