Zentralratsvorsitzender kritisiert wachsenden Antiziganismus

Zentralratsvorsitzender kritisiert wachsenden Antiziganismus
19.10.2022
epd
epd-Gespräch: Bettina Gabbe

Berlin, Heidelberg. Die Folgen des Kriegs in der Ukraine und die Corona-Pandemie haben nach Einschätzung des Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, zu mehr Antiziganismus geführt. In der Wirtschafts- und Energiekrise werde die alte Tradition gestärkt, "Sündenböcke aus der Gesellschaft auszugrenzen", sagte Rose dem Evangelischen Pressedienst (epd). Rechtsextreme böten der Gesellschaft auf diese Weise einen Schuldigen. Wachsender Antiziganismus und Antisemitismus hätten ein bedrohliches Ausmaß erreicht.

Das vor zehn Jahren eingeweihte Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin hat laut Rose das Bewusstsein für den Völkermord an der Minderheit zwar geschärft. Politische Erfolge hätten sich jedoch noch nicht hinreichend auf in der Gesellschaft verbreitete Vorurteile ausgewirkt. Zum 10. Jahrestag der Einweihung des Denkmals ist am Montag (24. Oktober) ein Festakt geplant, zu dem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet wird.

Das Denkmal habe ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass Holocaust auch die Vernichtung von einer halben Million Sinti und Roma im nationalsozialistisch besetzten Europa bedeute, sagte Rose. Damit diene es nicht nur der Erinnerung an die Minderheit. Es mache überdies bewusst, dass dem Antiziganismus ebenso entgegenwirkt werden müsse wie dem Antisemitismus: „Es ist kein Denkmal, das eine zementierte Schuld repräsentiert, sondern eines, das die Verantwortung in die Gesellschaft hinein trägt, Antiziganismus zu ächten.“

Vor dem Hintergrund des Konflikts um Bauarbeiten der Deutschen Bahn für eine neue, unterirdisch verlaufende S-Bahn-Linie in Berlin-Mitte, betonte Rose, es müsse alles dafür getan werden, das Denkmal dabei so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Wenn es keine andere Möglichkeit als die geplante Trasse gebe, sei der Zentralrat gesprächsbereit: „Wir sind Teil der Gesellschaft und können uns einem so wichtigen Projekt nicht in den Weg stellen.“ Es müsse allerdings sicherstellt werden, dass die Erschütterungen keine Auswirkungen auf die Gestaltung des Denkmals und das Ritual des täglichen Auflegens einer Blume hätten.

Das Mahnmal im Berliner Tiergarten südlich des Reichstagsgebäudes besteht aus einem Wasserbecken mit einer dreieckigen steinernen Stele, die an den schwarzen Winkel auf der Kleidung der in KZ inhaftierten Sinti und Roma erinnert. Dort liegt eine frische Blume. Wenn sie verwelkt, versinkt der Stein und wird mit einer neuen Blume wieder hochgefahren.