Wachsende Distanz zur Demokratie im Osten

Wachsende Distanz zur Demokratie im Osten
Ein Bericht des Ostbeauftragten beinhaltet alarmierende Zahlen: Die Zustimmung zum demokratischen System der Bundesrepublik nimmt im Osten weiter ab. Aber auch im Westen sinkt die Zufriedenheit mit der Politik.

Berlin (epd). Nur noch gut jeder dritte Ostdeutsche ist mit der Demokratie in Deutschland zufrieden. Die ermittelten 39 Prozent Zustimmung bedeuten neun Prozentpunkte weniger als noch vor zwei Jahren (48 Prozent), wie aus dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten aktuellen Deutschland-Monitor im Bericht des Ostbeauftragten Carsten Schneider (SPD) hervorgeht. Mit 59 Prozent ist die Zufriedenheit mit der Demokratie unter den Westdeutschen sehr viel höher. Aber auch hier sank die Zustimmung in den vergangenen zwei Jahren um sechs Prozentpunkte.

Auch die Zufriedenheit mit der politischen Situation in Deutschland hat in Ost- und in Westdeutschland weiter abgenommen. Alles in allem zufrieden sind nur noch 42 Prozent aller Befragten. 2020 waren es noch 52 Prozent.

Im Osten sank die Zufriedenheit auf aktuell nur noch 31 Prozent, im Westen auf 44 Prozent. Zudem meinen nur noch 32 Prozent der Ost- und 42 Prozent der Westdeutschen, dass den Politikerinnen und Politikern das Wohl des Landes wichtig ist. Mit der Arbeit der Bundesregierung ist derzeit nur ein Drittel der Befragten zufrieden (35 Prozent), vor zwei Jahren waren es noch mehr als die Hälfte (53 Prozent). Im Osten sank die Zufriedenheit im gleichen Zeitraum von 42 auf 26 Prozent.

Schneider sprach von einem „alarmierenden Signal“, auf das die Politik eine Antwort finden müsse. „Die Zustimmung zur Demokratie musste im Osten immer erkämpft werden“, sagte der aus Erfurt stammende SPD-Politiker. Wichtig sei jetzt, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen und sich nicht in politischen Spitzfindigkeiten zu verlieren: „Dafür ist die Lage zu angespannt.“

Noch immer verdienten die Menschen im Osten im Mittel 600 Euro weniger als die Westdeutschen, nur 3,5 Prozent der bundesdeutschen Führungspositionen seien mit Ostdeutschen besetzt. „Die Zeit des Lohndumping muss zum Beispiel jetzt vorbei sein“, sagte der Ostbeauftragte.

Dazu passt, dass nur ein Viertel (23 Prozent) im Osten mit der sozialen Gerechtigkeit zufrieden sind. Im Westen sind es 33 Prozent. Das sind jeweils rund zehn Prozentpunkte weniger als vor zwei Jahren.

Ebenfalls skeptisch bewerten viele die Meinungsfreiheit in Deutschland. Weniger als die Hälfte (43 Prozent) der Ost- und 58 Prozent der Westdeutschen vertreten den Standpunkt, dass man in Deutschland seine Meinung immer frei äußern kann, „ohne Ärger zu bekommen“. 2020 waren das noch 50 Prozent und 63 Prozent.

Für den Deutschland-Monitor wurden nach Angaben des Geschäftsführers der Info GmbH Markt- und Meinungsforschung, Holger Liljeberg 4.000 Interviews durchgeführt. Besorgniserregend sei, dass mittlerweile fast zwei Drittel der Ostler den Gruppen der „angepassten Skeptiker“ (26 Prozent) und „verdrossenen Populisten“ (35 Prozent) zugeordnet werden müssten, sagte Liljeberg. Diese würden sich zumeist in ihrer eigenen Informationsblase aufhalten: „Hier besteht die Gefahr, dass die Menschen uns in der Kommunikation verloren gehen.“

Der Bericht des Ostbeauftragten soll künftig im Wechsel mit dem Bericht zum Stand der Deutschen Einheit erscheinen. Er enthält neben dem Deutschland-Monitor 15 Beiträge von ostdeutschen Gastautorinnen und -autoren zur Situation in ihrer Region.