Experte fordert flexibleres Bildungssystem

Experte fordert flexibleres Bildungssystem
19.09.2022
epd
epd-Gespräch: Judith Kubitscheck

Tübingen (epd). Der Coach für Schulentwicklung und Vorsitzender der Initiative „Flexible Oberstufe“, Friedemann Stöffler (Tübingen), hat sich für eine radikale Veränderung des Bildungssystems ausgesprochen. „Davon hängt die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ab“, sagte er am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Trotz vieler Maßnahmen sei Deutschland im internationalen Ranking nicht besser geworden: „Dies liegt aus meiner Sicht daran, dass unser Schulsystem zu wenig Raum für Flexibilität bietet.“

Wichtig sei deshalb zum einen mehr zeitliche Flexibilität auf dem Weg zum Abitur: „Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Leistungen für das Abitur in genau zwei Jahren erbracht werden müssen.“ Bei Hochleistungssportlern und Langzeitkranken würden bereits Ausnahmen gemacht, „warum nicht auch bei Menschen mit anderen Herausforderungen wie beispielsweise Migrationserfahrung“, fragte der Gymnasiallehrer im Ruhestand. Die Leistungen der Prüfungen sollten weiterhin auf demselben hohen Niveau bleiben, „aber wir sollten individueller auf die jungen Menschen und deren Bedürfnisse eingehen“.

Flexibilität sei auch nötig bei der Vermittlung von Lernstoff. Individuelle digitale Lernangebote und mehr Raum für freie Lernzeiten statt gleicher Unterricht für alle im Klassenverband sollten ebenso verstärkt werden wie das Arbeiten in fächerübergreifenden Projekten, sagte Stöffler.

Wie Schülerinnen und Schüler ideal auf ihre berufliche Zukunft vorbereitet werden könnten, sollte in einem bundesweiten Bildungsforum länderübergreifend diskutiert werden und nicht nur hinter verschlossenen Türen der Kultusministerkonferenz, schlug Stöffler vor, der lange an einer Schulpreisträgerschule, dem Evangelischen Firstwald-Gymnasium in Mössingen (Kreis Tübingen), tätig war. Wenn das christliche Menschenbild die Grundlage für die schulische Arbeit sei, dann könne es in der Schule nicht um elitäre Auslese gehen, ist der Theologe überzeugt. „Sondern darum, dass jede und jeder bestmöglich gefördert und befähigt wird, die eigenen Talente zu entfalten und als Gottes Ebenbild einen eigenen unverwechselbaren Beitrag auf dieser Welt zu leisten.“