Conterganstiftung: Alter der Betroffenen birgt neue Herausforderungen

Conterganstiftung: Alter der Betroffenen birgt neue Herausforderungen

Köln (epd). Mit dem zunehmenden Alter der Contergan-Geschädigten in Deutschland müssen sich Gesellschaft und Medizin nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Conterganstiftung, Dieter Hackler, neuen Herausforderungen stellen. „Welche Wohnformen sind im Alter für Menschen mit Einschränkungen und hohem Autonomiedenken angemessen, vor allem, wenn sie allein leben?“, sagte Hackler dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem müsse eine sachgerechte medizinische Versorgung für die Betroffenen auch im Alter und eine psychosoziale Begleitung sichergestellt werden, mahnte der Vorstandsvorsitzende 50 Jahre nach der Gründung der Stiftung.

Um mit solchen Fragen umzugehen, werde die Stiftung eine Kommission aus Expertinnen und Experten berufen, in der auch Menschen mit Contergan-Schädigung sitzen sollen, erklärte Hackler. „Denn sie sind die besten Experten in eigener Sache.“ Auch aus der Stiftungsarbeit seien Betroffene nicht wegzudenken, sagte Hackler mit Blick etwa auf seine Vorstandskollegin Margit Hudelmaier, die zuvor Vorsitzende des Bundesverbandes der contergangeschädigten Menschen war.

Die dem Bundesfamilienministerium zugeordnete Conterganstiftung war am 31. Oktober 1972 in Bonn als „Hilfswerk für behinderte Kinder“ gegründet worden. Sie feiert ihr Jubiläum am 3. September als „Fest der Begegnung“ in Köln mit 400 überwiegend Contergan-betroffenen Gästen.

Contergan sei „eine Katastrophe“ gewesen, sagte Hackler. Es habe bis heute Leid und Schmerz über die Betroffenen und deren Familien gebracht. Zwischen 1956 und 1962 waren durch die Verwendung des Schlafmittels Contergan während der Schwangerschaft in Deutschland rund 5.000 Kinder mit verkürzten Gliedmaßen oder geschädigten inneren Organen zur Welt gekommen. Am 27. November 1961 hatte die in Aachen ansässige Firma Grünenthal ihr Medikament vom Markt nehmen müssen.

Hackler betonte zudem: „Die Contergan-Geschädigten haben aber auch mit ihrem Leben unser Bild von Menschen mit Einschränkungen zum Positiven verändert.“ Sie hätten die Selbsthilfe in Deutschland aufgebaut, die „Aktion Mensch“ gäbe es ohne Menschen mit Contergan-Schädigungen wahrscheinlich nicht. „Sie haben unsere Gesellschaft besser und lebenswerter gemacht“, sagte Hackler. Er ist evangelischer Theologe und war bis 2014 Leiter der Abteilung „Ältere Menschen“ im Bundesfamilienministerium.

Kritik an der Stiftungsarbeit etwa durch Betroffene, die in Köln eine Mahnwache planen, sieht Hackler als Ansporn an, noch besser zu werden. Einige Betroffene kritisieren, dass viele ihrer Forderungen an die Bundesregierung, das Familienministerium und den Vorstand der Conterganstiftung unerfüllt blieben. Sie dringen etwa auf eine Entschuldigung der Bundesrepublik, eine pauschale Entschädigungsleistung und eine Anpassung der monatlichen Conterganrenten an die Inflation.