Sozialverbände kritisieren Lindners Steuerpläne

Sozialverbände kritisieren Lindners Steuerpläne
Die Steuerpläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner stoßen auf breite Ablehnung bei Sozialverbänden. Die Entlastungen helfen den Falschen, lautet der organisationsübergreifende Tenor.

Berlin (epd). Von Sozialverbänden kommt Kritik an dem von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geplanten Inflationsausgleichsgesetz. Die vorgesehenen Anpassungen entlasteten wohlhabende Haushalte auf Kosten der Allgemeinheit, sagte der Präsident des Bundesverbands der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Michael Groß, am Donnerstag in Berlin. „Entlastungen müssen bei jenen ankommen, die sie wirklich brauchen und einen hohen Anteil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse verausgaben“, sagte er. Die Diakonie forderte „weniger Gießkanne“ und dafür mehr zielgerichtete Entlastungen für Geringverdiener.

Am Mittwoch hatte Lindner seine Pläne vorgestellt. Demnach würde der Staat im kommenden Jahr auf gut zehn Milliarden Euro Steuereinnahmen verzichten. Untere Einkommen würden davon prozentual stärker profitieren, höhere durch höhere Summen. Ab 70.000 Euro Jahreseinkommen beträgt die Entlastung nach Angaben des Bundesfinanzministeriums 479 Euro. Bei niedrigen Einkommen, beispielsweise 20.000 oder 30.000 Euro im Jahr, liegt sie bei 115 Euro beziehungsweise 172 Euro.

Breite Schultern müssten mehr tragen, sagte hingegen AWO-Präsident Groß. Oberste Priorität müsse eine Erhöhung der Regelsätze und die Einführung der einkommensabhängigen Kindergrundsicherung haben. Von Entlastungen profitieren dürften „nicht Personen in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung, sondern Geringverdienende und Menschen im Sozialleistungsbezug“.

Ähnliche Forderungen erhob auch die Vorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, in der „tageszeitung“ (Donnerstag). Es müssten Menschen entlastet werden, die am Existenzminimum leben, sagte sie: „Also diejenigen, die wenig Geld haben, die keine Einkommensteuer und auch sonst wenig Steuern zahlen.“

„Was wir in unseren Beratungsstellen merken ist, dass die Menschen Ängste und Sorgen haben, dass sie teilweise verzweifelt sind und enttäuscht von der Politik“, sagte Loheide. „Und auch deswegen brauchen wir weniger Gießkanne, sondern zielgerichtete, nachhaltige Entlastung.“ Sie persönlich brauche keine Energiepauschale, bekomme aber trotzdem die 300 Euro an Unterstützung. Menschen, die Angst vor den hohen Heizkosten im Herbst haben, bräuchten aber das Geld.

Loheide forderte, Menschen, die nahe am Existenzminimum leben, die Zugänge zu Wohngeld- und Energiezuschüssen zu erleichtern. Dafür müssten die Bemessungsgrenzen verändert werden, nach denen jemand dazu berechtigt ist, Wohngeld zu empfangen.

Der Sozialverband VdK bemängelte „falsche Prioritäten“ bei Lindners Plänen. VdK-Präsidentin Verena Bentele forderte eine Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner von 300 Euro. Zudem müsse die Regierung die Kindergrundsicherung und die angekündigte Reform des Wohngelds umsetzen.

Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie in Berlin kritisierte, dass laut der vorgesehenen Staffelung des Kindergelds Familien mit drei und mehr Kindern schlechter gestellt werden sollen. Lindners Plänen zufolge soll das Kindergeld für die beiden ersten Kinder soll 2023 um acht Euro auf dann 227 Euro pro Monat steigen. Für das dritte Kind sollen Eltern zwei Euro mehr erhalten, dann ebenfalls 227 Euro. Für das vierte Kind bleibt es bei 250 Euro. 2024 soll das Kindergeld für die ersten drei Kinder noch einmal um sechs Euro steigen.