Berlin, Hamburg (epd). Der Geschäftsführer des Bundesverbands „Der Agrarhandel“, Christof Buchholz, rechnet auch nach der Wiederaufnahme des Getreideexports aus der Ukraine über den Seeweg nicht mit einer deutlichen Entspannung der Märkte. „Alle sind nach wie vor skeptisch, ob das reibungslos weitergeht“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Noch ist am Markt keine Entwarnung spürbar. Sonst wären die Preise viel deutlicher gefallen.“
Am Montag hatte erstmals seit dem russischen Überfall auf die Ukraine Ende Februar ein Frachtschiff mit Getreide den Hafen der ukrainischen Stadt Odessa über das Schwarze Meer verlassen.
Schätzungsweise müssten noch zwölf bis 15 Millionen Tonnen Getreide, die in ukrainischen Silos lagerten, abtransportiert werden, damit die neue Ernte Platz habe, sagte Buchholz. Die großen internationalen Händler seien aber noch zurückhaltend, ebenso wie die Versicherungen, die die Schiffe versichern müssten, die das Getreide aus dem Kriegsgebiet transportierten.
Angaben der Bundesregierung, wonach mit der Initiative der EU-Kommission „EU Solidarity Lanes“ im Juni und Juli jeweils etwa 2,5 Millionen Tonnen Getreide über Straßen und Schienen nach Europa gebracht werden konnten, bezweifelte Buchholz. „Wir glauben, dass es nach wie vor deutlich weniger ist.“
Von der deutschen Politik forderte er mehr Einsatz, um die schnellere Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine auch über den Landweg zu ermöglichen. „Es fehlen Züge, es fehlen Waggons, es fehlen Zugmaschinen und es fehlen auch Zugführer“, betonte er. Buchholz schlug daher vor, das zulässige Gesamtgewicht der Lkw-Verkehre vorübergehend von 40 auf 44 Tonnen zu erhöhen. Dann könnten 15 Prozent mehr Getreide aus der Ukraine auf der Straße transportiert werden. Bislang gebe es zwar ein Entgegenkommen von Mecklenburg-Vorpommern, um Lieferungen nach Rostock zu bringen. Aber andere Bundesländer ebenso wie das Bundesverkehrsministerium seien dazu nicht bereit.
Für weitere Verzögerungen sorgten ferner Auflagen der polnischen Behörden: Sie verlangten von den Lkws an der Grenze etwa Veterinärzertifikate, die nach Regeln der Europäischen Union überhaupt nicht nötig seien. „Die Lkws stehen immer noch in kilometerlangen Schlangen vor der Grenze.“ Und jeder Tag, an dem ein Lastwagen stehe, koste Geld.
Der Verband „Der Agrarhandel“ ist ein Zusammenschluss des Bundesverbands Agrarhandel und des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse.