Düsseldorf, Essen (epd). Mit Blick auf die geplante Umlage der hohen Gaskosten auf die Kunden mehren sich die Forderungen nach weiteren Entlastungen. Verbraucherschützer, Gewerkschaften und die Linke, aber auch Wirtschaftsforscher fordern von der Bundesregierung ein neues Hilfspaket. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor dem Eintreten einer „sozialen Katastrophe“.
Mit Blick auf eine mögliche Verdreifachung der Heizkosten bei Gas forderte Fratzscher gegenüber der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag) ein drittes Entlastungspaket für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen. Die Sozialleistungen sollten umgehend und dauerhaft um 100 Euro pro Person und Monat erhöht werden. Eine ähnliche Summe solle für alle Haushalte mit weniger als 40.000 Euro Einkommen im Jahr bis Ende 2023 ausgezahlt werden.
Zudem schlug der DIW-Chef einen Gaspreisdeckel vor, der für 80 Prozent des Grundverbrauchs von Haushalten mit geringen und mittleren Einkommen gelten solle. Jeglicher weiterer Verbrauch solle zu den vollen Kosten berechnet werden. „So könnte man eine gute Balance zwischen sozialer Absicherung und Anreizen für Einsparungen schaffen“, sagte der Ökonom. Nur mit „starken Einsparungen“ werde man in Deutschland und Europa den Winter ohne Knappheit bei Gas und Energie durchstehen können.
Auch die neue Chefin der Verbraucherzentralen, Ramona Pop, dringt auf schnelle Hilfen. „Die Bundesregierung soll aufhören zu streiten und stattdessen neue Hilfspakete schnüren“, sagte die frühere Berliner Wirtschaftssenatorin (Grüne) den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Donnerstag). Pop, die seit Anfang Juli den Bundesverband der Verbraucherzentralen leitet, schilderte, dass die Sorge der Menschen riesig sei, Ängste und Verzweiflung stiegen. „Unsere Verbraucherzentralen leisten in ihren Beratungen längst nicht mehr nur Energieberatung, sondern Sozialarbeit.“
Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, mahnte ebenfalls „zielgenaue Entlastungen für die Bevölkerung“ an. „Wenn jetzt nicht stärker gegengesteuert wird, sind Existenzen bedroht und der soziale Zusammenhalt gefährdet“, warnte die DGB-Vorsitzende gegenüber den Funke-Zeitungen (Freitag). Fahimi erneuerte zudem ihre Forderung nach einem Energiepreis-Deckel für Privathaushalte. „Der Grundbedarf von Energie muss bezahlbar bleiben.“
Derweil nannte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch die geplante Gas-Umlage „inakzeptabel“. Sie werde zu „horrenden Mehrkosten bei den Gaspreisen führen und Millionen Bürger und Unternehmen in den wirtschaftlichen Existenzkampf zwingen“, sagte Bartsch der „Rheinischen Post“ (Freitag). Er kritisierte, dass mögliche Hilfen und Entlastungen frühestens für Januar angekündigt seien. „Die Bundesregierung sollte nach der parlamentarischen Sommerpause dringend ein drittes umfassendes Entlastungspaket vorlegen und endlich einen Gaspreisdeckel nach Vorbild anderer EU-Staaten auf den Weg bringen.“
Bundeskanzler Scholz hatte in der vergangenen Woche weitere Entlastungen angekündigt. Geplant ist nach seinen Worten unter anderem, Wohngeldempfängern und -empfängerinnen dauerhaft einen Heizkostenzuschuss zu zahlen. Zudem sollen Menschen, die in der Krise Miete und Energierechnungen nicht zahlen können, vor Kündigung geschützt werden.