Wiesbaden, Berlin (epd). In Deutschland leben etwa 178.000 wohnungslose Menschen in Not- und Gemeinschaftsunterkünften oder in vorübergehenden Quartieren. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte, sind knapp zwei Drittel der Untergebrachten Männer, gut ein Drittel Frauen. 37 Prozent sind jünger als 25 Jahre, knapp fünf Prozent 65 Jahre alt oder älter. Familien oder Alleinerziehende mit Kindern machen 46 Prozent der Fälle aus.
Es handelt sich um die erste Statistik der Behörde zu untergebrachten Wohnungslosen. Erfasst wurden den Angaben zufolge Menschen, die zum Stichtag 31. Januar 2022 in Räumen oder Übernachtungsgelegenheiten lebten, die ihnen von Gemeinden oder mit Kostenerstattung durch andere Träger von Sozialleistungen zur Verfügung gestellt wurden.
Nicht erfasst wurden Personen, die bei Freunden, Familien oder Bekannten unterkommen, und Obdachlose, die auf der Straße leben. Fälle von Flüchtlingen flossen nur ein, wenn sie einen positiven Asylbescheid hatten und durch das Wohnungsnotfallhilfesystem untergebracht waren.
„Die jetzt veröffentlichten Zahlen sind ein wichtiger Schritt und besser als bisherige Schätzungen“, sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetags, Verena Göppert. „Wichtig ist nun, die Lücken in der Statistik durch geeignete Verfahren auszufüllen. Erst dann liegt ein vollständiges Bild vor - auch über die Situation besonders vulnerabler wohnungsloser Personen.“
Um auch verdeckte Formen von Wohnungslosigkeit, etwa das Unterkommen bei Freunden oder Bekannten, und die Obdachlosigkeit auf der Straße überblicken zu können, hat das Bundessozialministerium nach eigenen Angaben eine repräsentative Studie in Auftrag gegeben. Zahlen dazu sollen in diesem Herbst vorliegen.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte forderte unterdessen verpflichtende Mindeststandards für die kommunale Notunterbringung. "Wohnungslose Menschen, die in kommunalen Notunterkünften leben müssen, erleben häufig verdreckte und beschädigte Sanitäranlagen, Mehrbettzimmer, keine Privatsphäre und ein Zusammenleben geprägt von Angst und Konflikten”, sagte Claudia Engelmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts. Für viele Betroffene sei dies ein Zustand von Monaten und Jahren.
Die Aufgabe, für bessere Unterkünfte und kürzere Aufenthalte zu sorgen, könne nicht den Kommunen allein überlassen werden, betonte das Institut für Menschenrechte. Die Länder sollten in Abstimmung mit den Kommunen Mindeststandards formulieren. Der Bund könne außerdem strukturelle Verbesserungen im Rahmen des geplanten Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit voranbringen.