Gaskrise: Habeck warnt vor "Zerreißprobe" für Deutschland

Gaskrise: Habeck warnt vor "Zerreißprobe" für Deutschland
Hinweis: Zusammenfassung 1630, neu: Habeck
Minister Habeck hält weitere Entlastungen der Bürger für nötig, um eine "soziale Spaltung" infolge von Preissteigerungen zu verhindern. Der Mieterbund befürchtet, dass Millionen Mieter wegen der hohen Gaskosten in eine finanzielle Notlage geraten.

Berlin (epd). Angesichts eines möglichen Totalausfalls russischer Gaslieferungen warnt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor einer „Zerreißprobe“ für Deutschland. Im Deutschlandfunk sagte Habeck am Samstag, im schlimmsten Fall müsse der Staat als Ultima Ratio entscheiden, „wo die Versorgungssicherheit gewährleistet werden muss und wo nicht“. Nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird die Frage der Energiesicherheit Deutschland noch auf Jahre beschäftigen. Der Mieterbund äußerte derweil die Befürchtung, dass Millionen Mieter wegen der steigenden Energiekosten in eine Notlage geraten könnten.

Habeck bezeichnete eine mögliche staatliche Zuweisung von Energie als „politisches Albtraumszenario“. „Das wird Deutschland vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten.“ Ein solches Szenario müsse unter anderem durch das Einsparen und Einspeichern von Gas verhindert werden.

Habeck stellte ein weiteres Entlastungspaket in Aussicht, um gesellschaftliche Verwerfungen aufgrund steigender Energiepreise zu verhindern. Darüber werde derzeit in der konzertierten Aktion gesprochen, bei der sich die Bundesregierung mit Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden berät. „Die Anpassung in diesem Jahr wird hart werden und für einige Menschen zu hart. Ohne weitere politische Flankierung wird die soziale Spaltung dort zu stark befördert“, sagte Habeck.

Scholz sagte in seiner wöchentlichen Videobotschaft, die Sicherheit der Energieversorgung werden das Land „noch die nächsten Wochen, Monate und auch Jahre“ beschäftigen. Eine Reihe beschlossener Maßnahmen sollten das Land auf „Mangellagen“ vorbereiten: „Wir bauen Pipelines, Flüssiggasterminals. Wir sorgen dafür, dass eingespeichert wird in unsere Gasspeicher.“ Außerdem würden Kohlekraftwerke weiterbetrieben, um Gas zu sparen.

Auf lange Sicht muss das Land laut Scholz aber unabhängig von Importen fossiler Energieträger werden. Dazu müssten die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, wie es nun mit der Verabschiedung mehrerer Gesetze beschlossen worden sei.

Der Deutsche Mieterbund befürchtet finanzielle Nöte in vielen Haushalten. Der starke Anstieg der Energiekosten „könnte nicht weniger als den Ruin für Millionen Mieter bedeuten“, sagte Verbandspräsident Lukas Siebenkotten der „Bild“-Zeitung (Samstag). Die Bundesregierung müsse kurzfristig erhebliche Heizkostenzuschüsse für die Menschen auf den Weg zu bringen, die sonst eine geheizte Wohnung nicht mehr bezahlen können, erklärte Siebenkotten. Geschehe dies nicht rasch, seien soziale Verwerfungen und Auseinandersetzungen zu befürchten.

Linken-Chef Martin Schirdewan drang auf eine bessere Unterstützung einkommensschwacher Haushalte. Diese sollten einen „sozialen Klimabonus“ bekommen, der bei einem Grundbetrag von 125 Euro im Monat liege und für jedes weitere Haushaltsmitglied um 50 Euro aufgestockt werde, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Außerdem sprach er sich für eine Deckelung der Energiepreise aus, „damit die Leute im nächsten Winter noch heizen und Fernsehen gucken können“.

Zugleich wandte sich Schirdewan gegen Appelle der Bundesregierung, angesichts der Gaskrise den privaten Energieverbrauch einzuschränken. „Ich rate den Leuten, nicht auf die Verzichtspropaganda hereinzufallen“, sagte er: „Es kann nicht darum gehen, weniger zu heizen oder kälter zu duschen.“

Auf die stark steigenden Preise vor allem für Energie und Lebensmittel hat die Bundesregierung bereits mit zwei sogenannten Entlastungspaketen reagiert. Unter anderem fiel zum 1. Juli die EEG-Umlage weg, ein halbes Jahr früher als geplant. Auch wurden Hilfen für Sozialhilfe- und Wohngeldempfänger sowie das 9-Euro-Ticket und der umstrittene Tankrabatt beschlossen. Einkommenssteuerpflichtige Erwerbstätige erhalten eine Energiepauschale von 300 Euro.