Ökosiegel für Gas und Atomkraft stößt auf breite Kritik

Ökosiegel für Gas und Atomkraft stößt auf breite Kritik
Laut Europaparlament können Gas und Atomkraft als klimafreundlich gelten. Die umstrittene Aufnahme in die sogenannte EU-Taxonomie passierte das Parlament, doch es hagelt Kritik.

Straßburg, Brüssel (epd). Investitionen in Gas und Atomkraft gelten in der EU künftig unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig. Das Europäische Parlament hat den Vorschlag der EU-Kommission, die beiden Energieformen in die sogenannte Taxonomie aufzunehmen, am Mittwoch in Straßburg gebilligt. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, die Bundesregierung bleibe ungeachtet des Abstimmungsergebnisses bei ihrer Position und betrachte Kernenergie als nicht nachhaltig.

Bei der Taxonomie geht es um ein System, mit dem Finanzprodukte im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit kategorisiert werden. Mit dem EU-Siegel soll sogenanntes Greenwashing vermieden werden und Geld vor allem in umwelt- und klimafreundliche Wirtschaftsbereiche fließen. Den Vorschlag, auch Gas und Atomkraft entsprechend einzustufen, hatten Politiker, Wissenschaftler und Umweltschützer kritisiert.

Den Gegnern innerhalb des EU-Parlaments gelang es am Mittwoch nicht, die EU-Verordnung zu stoppen. Im Plenum in Straßburg hätten mindestens 353 der 705 Abgeordneten gegen den Vorschlag stimmen müssen. Es stimmten aber nur 278 dagegen.

Die fraktionsübergreifende Kritik war laut. „Die Gas- und Atomlobby hat gewonnen, das Klima hat verloren“, kommentierte Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament, das Ergebnis. Ähnlich äußerte sich Cornelia Ernst, energiepolitische Sprecherin der Linken: „Mit dieser Entscheidung wird die Strahlkraft der Taxonomie, grüne und nachhaltige Energieträger zu kennzeichnen, zerstört“, sagte sie.

Joachim Schuster, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD im Europäischen Parlament, sprach von einer „Mogelpackung“, und auch der CSU-Europaabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber, sieht die Glaubwürdigkeit der gesamten Taxonomie in Gefahr.

Auch außerhalb des Parlaments gab es teils scharfe Kritik. Greenpeace, der WWF und die Deutsche Umwelthilfe prüfen rechtliche Schritte. Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sagte deren Vertreterin in Brüssel, Katrin Hatzinger, man nehme das Abstimmungsergebnis mit Bedauern zur Kenntnis. Die Entscheidung bedrohe die Glaubwürdigkeit der Taxonomie.

Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags, Gas und Atomkraft in die Taxonomie aufzunehmen, könnte noch verhindert werden, wenn mindestens 20 EU-Staaten bis zum 11. Juli ein Veto einlegen. Das gilt allerdings als sehr unwahrscheinlich.