Historiker Clark: Putin nicht Eins-zu-eins mit Hitler vergleichen

Historiker Clark: Putin nicht Eins-zu-eins mit Hitler vergleichen

München (epd). Der britisch-australische Historiker Christopher Clark hat davor gewarnt, Putin Eins-zu-eins mit Hitler zu vergleichen. „Diese Gleichsetzungen sind leicht verständlich und sprechen unsere Emotionen an, führen aber fast immer in eine Sackgasse, weil die Ähnlichkeiten immer nur bedingt und partiell sind“, heißt es in einem Gastbeitrag des in Cambridge lehrenden Gelehrten für die „Süddeutsche Zeitung“ (Samstag).

Die heutige Krise ähnele auch nicht der vom Sommer 1914, also dem Beginn des Ersten Weltkrieges, fügte Clark hinzu. „Es gibt heute keine binäre kontinentale Bündnisstruktur der Großmächte. Russland ist in Europa zurzeit geopolitisch isoliert. Die ganze Balkan-Problematik der Julikrise findet hier kein Echo“, erklärt der Autor des Buches „Die Schlafwandler: Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“ (2013).

Clark: „Die Politiker angeln vor allem im 20. Jahrhundert, weil dort die großen Emotionen zu holen sind, und weil die starke moralische Polarisierung es ermöglicht, das Böse schlechthin beim Gegner zu suchen.“ Mit dieser Moralkeule arbeite auch Putin ganz bewusst, wenn er zum Beispiel von Nazis spreche. „Der Gegner soll wie ein Eber in das Dickicht der historischen Vergleiche getrieben werden, bis er sich nicht mehr bewegen kann“, so der 62-jährige Clark.

„Wir sollten uns also nicht von bestimmten historischen Episoden in den Bann ziehen lassen“, so Clark: „Wo wir Resonanzen aufdecken, sollten wir sie untersuchen und hinterfragen, ohne gleichzeitig davon auszugehen, dass die Zwangslagen, in denen sie eingebettet waren, sich unbedingt in der Gegenwart wiederholen werden.“