Kulturwissenschaftler: Computerspiele helfen bei Trauer

Kulturwissenschaftler: Computerspiele helfen bei Trauer
25.06.2022
epd
epd-Gespräch: Carina Dobra

Frankfurt, Neu-Ulm (epd). Bestimmte Computerspiele können nach Aussage des Kulturwissenschaftlers Arno Görgen für junge, aber auch ältere Menschen ein wichtiger Bestandteil bei der Trauerbewältigung sein. „Schon das Sprechen über den Tod, die Reflexion darüber, kann hilfreich sein“, sagte der Forscher an der Hochschule der Künste Bern dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Entsprechende Spiele würden diesen Prozess ankurbeln. Es sei an der Zeit, Computerspiele aus der „Schmuddelecke“ herauszuholen. Gerade Eltern sollten sich von möglichen Vorurteilen lösen. Arno Görgen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berner Institute of Design Research. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medizingeschichte und Bioethik in der Populärkultur sowie Medikalisierung in digitalen Horrorspielen.

Als Beispiele für sogenannte „Death Positive“-Spiele nennt der Forscher etwa das Spiel „A Mortician's Tale“. In dem 2017 veröffentlichten Spiel erleben die Userinnen und User den Alltag einer Bestatterin, die neu im Job ist. Die Spielerinnen und Spieler lernen die verschiedenen Arten von Trauer kennen und wie mit den Körpern umgegangen wird. Das Spiel sei keine Totenschau, sondern überaus empathisch, urteilt der Experte, der nach eigenen Aussagen selbst den Tod seines Vaters vergangenen Jahres mithilfe von Computerspielen verarbeitete.

Ein Beispiel für ein rein kommerzielles Videospiel sei „Guardians of the Galaxy“. Neben viel Spaß und „Blödsinn“, wie Görgen sagt, gehe es auch hier um den Verlust einer geliebten Person. Über die Kommunikation der einzelnen Charaktere setze sich der Spieler oder die Spielerin mit Sterben und Trauer auseinander.

Die Spiele seien nicht nur etwas für jüngere Menschen: „Die Gamer sind erwachsen geworden. Menschen, die mit acht Jahren vielleicht Super Nintendo gespielt haben, interessieren sich auch heute noch für Videospiele“, erklärt Görgen. Eltern rät der Kulturhistoriker auf jeden Fall, mit ihren Kindern über die Spiele ins Gespräch zu kommen.

Die Themen Tod und Trauer blieben auch in Zukunft beliebt in der Branche, sagt Görgen. Viele Spiele seien derzeit in der Entwicklung, aber: „leider ist die Szene groß und Infos oder ein allgemeiner Überblick schwer zu bekommen“.

Sogar in der Therapie könnten Spiele wertvolle Dienste leisten, ist Görgen überzeugt. Bisher werde dies aber eher in den USA praktiziert. Dort und auch etwa in Japan sei die Spielkultur deutlich ausgeprägter als in Deutschland. Hierzulande setzt sich der Trend aber auch immer mehr durch: Rund 34 Millionen Menschen in Deutschland spielen nach Angaben des Verbandes der deutschen Games-Branche Computer- und Videospiele - und das Durchschnittsalter der Gamer steigt. Die Corona-Pandemie hat der Branche nochmals einen Schub gegeben.