Steinmeier ruft zur Verteidigung der Demokratie auf

Steinmeier ruft zur Verteidigung der Demokratie auf
Vor 100 Jahren wurde Reichsaußenminister Rathenau von rechtsextremen Terroristen ermordet. Für Bundespräsident Steinmeier Anlass, vor den Feinden der Demokratie zu warnen.

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich zum 100. Jahrestag der Ermordung von Reichsaußenminister Walther Rathenau (1867-1922) durch Rechtsextremisten für einen „demokratischen Patriotismus“ ausgesprochen. Dazu gehöre, „die Symbole unserer Republik“ wie die Farben Schwarz-Rot-Gold und die Hymne nicht denen zu überlassen, „die sie für neuen Nationalismus und autoritäre Ideen missbrauchen“, sagte Steinmeier am Freitag in Berlin laut vorab verbreitetem Redemanuskript.

Bei einer Gedenkveranstaltung im Deutschen Historischen Museum betonte er: „Unsere Demokratie muss wehrhaft sein gegenüber ihren Feinden, nach außen, aber auch nach innen“. Dies sei eine der großen Lehren aus dem Tod Rathenaus. Steinmeier nannte den liberalen Politiker und ersten jüdischen Außenminister Deutschlands einen „Märtyrer der Demokratie“.

Der Reichsaußenminister war am 24. Juni 1922 im Berliner Stadtteil Grunewald von Mitgliedern der rechtsterroristischen „Organisation Consul“ ermordet worden. Rathenau war eines der prominentesten Regierungsmitglieder der jungen Weimarer Republik. Als Jude, liberaler Politiker, Großindustrieller und Publizist, der sich nach dem Ersten Weltkrieg für die Verständigung mit den Nachbarstaaten einsetzte, war er zum Feindbild für die radikale Rechte geworden.

Für die Feinde der Demokratie in der Weimarer Republik sei Rathenau „die ideale Verkörperung der angeblich jüdisch-kapitalistischen Weltverschwörung“ gewesen, sagte Steinmeier. Zugleich erinnerte er an die Opfer politischer Morde in jüngerer Zeit, wie den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) sowie an die Bedrohung von Amtsträgern in den Kommunen. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten habe im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Allein die Gewalttaten hätten um 16 Prozent zugenommen.

Die Hetze, der Rathenau vor seiner Ermordung ausgesetzt gewesen sei, klinge heute „bemerkenswert vertraut“, sagte Steinmeier. Wie vor 100 Jahren gehörten heute „Untergangsszenarien, Verschwörungstheorien und ein deutscher Opfermythos zum Repertoire der Extremisten“. „Der Hass auf Demokraten und die Sehnsucht, den politischen Gegner hinter Gitter zu bringen - das kennen wir auch von Pegida und Corona-Leugnern.“ Manche horteten sogar Waffen und fantasierten „vom Umsturz“, so Steinmeier.

Bereits am Vormittag hatte der Bundespräsident gemeinsam mit Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Ort des Attentats an Rathenau erinnert. Dazu legten sie im Stadtteil Grunewald an der Koenigsallee/Ecke Erdener Straße Kränze nieder. Begleitet wurden sie unter anderem von Schülern des Walther-Rathenau-Gymnasiums.

Dabei rief Steinmeier dazu auf, gegen Hetze und Hass aufzustehen. „Wir brauchen Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Demokratie lebt vom Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger“, so Steinmeier. Giffey betonte, es gehe darum, „immer wieder und zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ gegen Hetze und Gewalt, rechten Terror und Antisemitismus aufzustehen, „egal ob im Internet, im Alltag oder auf Demonstrationen“.

Rathenau wurde 54 Jahre alt. Sein Vater Emil Rathenau war der Gründer des Elektrokonzerns AEG.