Berlin (epd). Im vergangenen Jahr sind mehr als 17.700 Kinder und Jugendliche in Deutschland Opfer sexualisierter Gewalt geworden. Das seien im Durchschnitt 49 minderjährige Opfer pro Tag, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, am Montag in Berlin. Gemeinsam mit der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus, präsentierte er eine Sonderauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik mit Detailangaben zur Gewalt an Kindern. Demnach wurden 17.704 unter 14-Jährige im vergangenen Jahr Opfer von Missbrauch. 2.281 von ihnen waren jünger als sechs Jahre.
Laut der bereits Anfang April veröffentlichten Gesamtstatistik des Bundeskriminalamts wurden 2021 rund 15.500 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern gemeldet. Das entspricht einem Anstieg von 6,3 Prozent. Mehr als verdoppelt haben sich im vergangenen Jahr entdeckte Fälle von Verbreitung, Erwerb, Besitz oder Herstellung sogenannter kinderpornografischer Schriften. 39.171 derartige Fälle registrierte die Polizei (2020: 18.761). Die Zahl der Fälle von Verbreitung oder Besitz jugendpornografischer Schriften stieg auf 5.105 (2020: 3.107).
Seit einigen Jahren gelingt es der Polizei mit Hilfe des US-amerikanischen National Center of Missing and Exploited Children (NCMEC) mehr Licht in das vermutlich große Dunkelfeld von Kindesmissbrauch zu bringen. Das NCMEC übermittelt bei entdeckten Delikten mit Tatort in Deutschland Daten an das Bundeskriminalamt (BKA). Münch zufolge gab es allein 2021 mehr als 62.000 Hinweise auf strafrechtliche relevante Fälle von sexualisierter Gewalt oder Missbrauchsdarstellungen.
Claus sagte, die Zahl der Fälle sei erschreckend, aber durchaus zu erwarten gewesen. Sie beklagte, dass durch das unbekannte Ausmaß des Dunkelfelds nicht gesagt werden könne, ob die Zahl der Fälle tatsächlich steige oder der Anstieg der Fallzahl in erfolgreicheren Ermittlungen gründe. Sie erneuerte ihre Forderung nach mehr Erforschung des Dunkelfelds. Die derzeitigen Zahlen bildeten das tatsächliche Ausmaß von sexualisierter Gewalt nicht ab, sagte die unabhängige Beauftragte für Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs.