Kommission: Schulen müssen Missbrauchsfälle aufarbeiten

Kommission: Schulen müssen Missbrauchsfälle aufarbeiten
Die unabhängige Aufarbeitungskommission verlangt von Schulen mehr Einsatz, Missbrauchsfälle aufzuarbeiten und Vorsorge zu treffen, dass Kindern keine Gewalt angetan und Betroffenen schnell und kompetent geholfen wird.

Berlin (epd). Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat alle Schulen dazu aufgerufen, sexuellen Missbrauch in jedem einzelnen Fall aufzuarbeiten. Kommissionsmitglied Brigitte Tilmann sagte am Mittwoch in Berlin, darauf hätten Betroffene, deren Würde und Integrität in diesen Schulen zutiefst verletzt worden seien, ein Recht. Sie müssten zudem an den Aufarbeitungsprozessen beteiligt werden. Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) versicherte den Betroffenen, ihr Leid werde von der Politik ernst genommen.

Tilmann sagte zur Eröffnung eines Hearings über sexuellen Missbrauch an Schulen, häufig seien die Täter beliebte Lehrer gewesen. Es sei zu beobachten, dass Schulen Angst davor hätten, zurückzublicken und aufzuklären, was die Taten begünstigt habe. Das sei aber notwendig und Voraussetzung für erfolgreiche Präventionskonzepte. Die Juristin äußerte sich zudem unzufrieden darüber, dass nur ein Bruchteil der Schulen in Deutschland die Schutzkonzepte umsetze, die der frühere Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig hat entwickeln lassen.

Die Aufarbeitungskommission beschäftigte sich in ihrem 5. Öffentlichen Hearing mit sexueller Gewalt sowie Aufarbeitungs- und Vorbeugungsstrategien an staatlichen Schulen. 160 Betroffene haben der Kommission in vertraulichen Anhörungen und schriftlichen Berichten die Taten und ihre Folgen geschildert. Täter waren Lehrer, Schulpersonal und in einigen Fällen auch Mitschüler. Die Übergriffe fanden im Büro des Direktors, in der Bibliothek, in Krankenzimmern, in den Wohnungen der Täter sowie in Einzelfällen im Klassenzimmer statt.

Häufig hätten die Schülerinnen und Schüler versucht, Signale zu senden und Hilfe zu finden, seien aber nicht gehört worden, berichtete Tilmann. Man gehe, wie bei Missbrauchsfällen in anderen Institutionen auch, von einem großen Dunkelfeld nicht bekannter Fälle aus. Es müsse sich in allen Lehrerkollegien das Wissen durchsetzen, dass auch die Schule ein Tatort sein könne, sagte Tilmann. Die frühere Präsidentin des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main ist eine ausgewiesene Expertin für das Thema. Sie deckte als unabhängige Expertin gemeinsam mit der Wiesbadener Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller das Ausmaß der Missbrauchsskandale an der Odenwaldschule und der Elly-Heuss-Knapp-Schule in Darmstadt auf.

Bundesfamilienministerin Spiegel ging auf Herausforderungen für Schulen ein, vom Personalmangel über die Corona-Pandemie bis zur Integration von Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine. Diese Herausforderungen entbänden die Schulen aber nicht von ihrem Schutzauftrag für alle Kinder, sagte sie. Einige Bundesländer hätten Schutzkonzepte in ihren Schulgesetzen verankert, andere müssten folgen. Den Betroffenen versicherte die Ministerin, die Politik nehme die Gewalt, die Kindern und Jugendlichen angetan werde, und das Leid der Betroffenen ernst.

Spiegel und die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU), betonten, es sei den Betroffenen zu verdanken, dass aus den Missbrauchsskandalen Konsequenzen gezogen werden könnten. Prien erklärte vor dem Hintergrund der Skandale in kirchlichen Einrichtungen, es dürfe nicht verdrängt werden, dass Übergriffe auch an staatlichen Schulen geschehen seien und weiter vorkämen. Deshalb müsse es im Rahmen von Schutzkonzepten überall Ansprechpersonen für betroffene Kinder geben, die geschult und bereit seien, zu handeln und ihnen zu helfen, sagte sie.