Mainz (epd). Eine Woche nach der Ermordung von zwei rheinland-pfälzischen Polizeibeamten geht eine beim Landeskriminalamt (LKA) in Mainz eingerichtete Ermittlungsgruppe bereits knapp 300 Hassdelikten im Internet nach. In 102 Fällen hätten die Behörden eine strafrechtliche Relevanz festgestellt, erklärte Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Montag. In 15 davon seien die Verantwortlichen bereits ermittelt worden. Das 14-köpfige Ermittlerteam durchsuche gezielt soziale Medien wie Youtube, Facebook und Twitter auf Hass-Postings, gehe aber auch zahlreichen Anzeigen aus der Bevölkerung und von Polizeidienststellen anderer Bundesländer nach.
Bereits am Tag der Tat sei die kaltblütige Tötung der beiden Beamten im Internet regelrecht gefeiert worden, sagte Lewentz. In manchen Fällen seien sogar die Angehörigen der Opfer verhöhnt worden. „Ich empfinde das als schamlos“, sagte der Minister. „Das ist pure Menschenverachtung.“
Nach Auskunft des Koblenzer Generalstaatsanwalts Jürgen Brauer geht es in den Verfahren um Vorwürfe wie Billigung von Verbrechen, Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener und Volksverhetzung. In einem Fall hatte ein Mann aus dem rheinland-pfälzischen Landkreis Birkenfeld auf Facebook zwei Videos hochgeladen, in denen er dazu aufrief, auch anderenorts Polizisten auf einsame Feldwege zu locken und sie dort zu erschießen. Brauer unterstrich, auch Likes oder zustimmende Kommentare unter solchen Social-Media-Einträgen könnten strafbar sein.
LKA-Präsident Johannes Kunz sagte, die bisher identifizierten Verfasser stammten aus dem ganzen Bundesgebiet. In einigen Fällen hätten sie Verbindungen ins „Reichsbürger“-Milieu. Manche seien offenbar Gegner der Corona-Maßnahmen. So sei in einem Fall der Mord an den beiden Polizisten gelobt worden, weil nun zwei Beamte weniger gegen „friedliche Spaziergänger“ einschreiten könnten.
In allen gemeldeten Fällen versuchten die Ermittler, die Identität der Verfasser über deren Online-Profile zu ermitteln. Wo dies nicht gelinge, würden Abfragen bei den Telemedienanbietern gestartet. Kunz betonte, in vielen Fällen würden strafrechtlich relevante Kommentare aktiv von anderen Nutzern zurückgewiesen. Bei den bislang 102 Hassdelikten, die nach den Morden an den rheinland-pfälzischen Polizisten bereits strafrechtlich verfolgt werden, handele es sich um 23 Fälle beim Kurznachrichtendienst Twitter, um 21 bei Facebook und 20 bei Youtube. Von den übrigen entfielen 15 auf das Videoportal Tiktok, 12 auf den Messengerdienst Telegram, 6 auf Instagram und 5 auf weitere Medien.
Die 24-jährige Polizeianwärterin und der 29-jährige Polizist waren am Montagmorgen vor einer Woche bei einer Verkehrskontrolle an einer Landstraße in der Nähe von Kusel erschossen worden. Zwei Verdächtige wurden noch am selben Tag festgenommen und befinden sich in Untersuchungshaft. Nach bisherigem Stand der Ermittlungen wollten die Täter vertuschen, dass in ihrem Fahrzeug zahlreiche gewilderte Tiere lagen.