Steinmeier kritisiert Logik der sozialen Medien

Steinmeier kritisiert Logik der sozialen Medien

Berlin (epd). Soziale Medien bieten nach Worten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier keinen idealen Debattenraum, „wenn extreme Meinungen automatisch besondere und große Aufmerksamkeit genießen dürfen“. Zum Abschluss des internationalen Forschungsprojekts „Ethik der Digitalisierung - von Prinzipien zu Praktiken“ sagte er am Montag in Schloss Bellevue in Berlin: „Wenn Gruppen sich immer mehr voneinander abschließen und wenn Vernunft als schlecht verwertbare Langeweile gilt, dann werden eben die echten Debatten immer schwieriger.“ Die Logik der sozialen Medien werde gezielt ausgenutzt, um Desinformation und Propaganda zu verbreiten.

Nach Ansicht von Steinmeier sind die Probleme hausgemacht und vor allem durch konkrete Versäumnisse entstanden, etwa bei der digitalen Aufklärung, im Umgang mit Gegnern der Demokratie sowie durch die den Markt beherrschenden digitalen Plattformen. Diese Versäumnisse schadeten dem öffentlichen Raum, und die Demokratie werde zum „Kollateralschaden des Geschäftsmodells“.

Ausdrücklich begrüßte er die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall von Renate Künast (AZ: 1 BvR 1073/20), wonach die Grünen-Politikerin in vollem Umfang von Facebook Auskunft über Nutzer verlangen kann, die herabsetzende Kommentare über sie veröffentlicht haben. „Niemand muss es tatenlos ertragen, im Netz beschimpft und beleidigt zu werden, auch keine Politikerin und kein Politiker“, sagte Steinmeier.

Das gelte gerade dann, wenn digitale Plattformen als Schutzräume missbraucht werden, um gegen ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und engagierte Bürgermeister zu hetzen. Wenn das „blindwütige Gebrüll einiger weniger“ die vernünftige Mehrheit aus dem öffentlichen Raum verdränge, wenn die Wahrnehmung öffentlicher Ämter vor Ort immer unerträglicher werde, „dann vergiftet das die Demokratie an der Wurzel“.

Beim Forschungsprojekt „Ethik der Digitalisierung“ wurde länderübergreifend unter anderem darüber diskutiert, wie Menschen - und insbesondere die verletzlichsten gesellschaftlichen Gruppen - in die Digitalisierung mit einbezogen werden können. Malavika Jayaram vom Digital Asia Hub in Singapur sagte, so müsse bei der Stadtentwicklung auch Mitgefühl für Menschen eine Rolle spielen, bei einer Kosten-Nutzen-Rechnung müssten soziale Kosten stärker berücksichtigt werden.