Shoah-Überlebende: Krankheit des Antisemitismus muss geheilt werden

Shoah-Überlebende: Krankheit des Antisemitismus muss geheilt werden

Berlin (epd). In der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus hat die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher am Donnerstag in Berlin zur Versöhnung aufgerufen und zur Erinnerung an die von den Nationalsozialisten ermordeten Kinder, Frauen und Männer. „Die Vergangenheit darf nie vergessen werden“, rief Auerbacher ihren Zuhörerinnen und Zuhörern zu. „Menschenhass ist etwas Schreckliches.“ Ihr innigster Wunsch sei die Versöhnung aller Menschen, sagte die 1934 geborene Auerbacher und forderte alle Menschen auf, der Opfer des NS-Regimes zu gedenken.

Der Judenhass sei in vielen Ländern der Welt und auch in Deutschland wieder an der Tagesordnung, sagte Auerbacher. Die Krankheit des Antisemitismus müsse so schnell wie möglich geheilt werden, forderte sie. Sie habe „die grauenhafte Zeit des Menschenhasses gut im Gedächtnis“.

In einer persönlichen und bewegenden Rede schilderte Auerbacher aus der Perspektive eines Kindes ihren eigenen Leidensweg als Kind und Jugendliche. Die US-Amerikanerin gehört zu den wenigen Überlebenden von Tausenden Menschen, die aus Stuttgart in die Konzentrations- und Vernichtungslager im Osten deportiert wurden. Sie wurde 1934 in Kippenheim geboren, wuchs in Jebenhausen bei Göppingen auf und wurde als Siebenjährige 1942 mit ihren Eltern in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.

Die Familie überlebte und wanderte 1946 in die USA aus. Auerbacher studierte Chemie und arbeitete Jahrzehnte in der medizinischen Forschung. Ihre Ausbildung wurde unterbrochen von mehrfachen schweren Erkrankungen als Folge der Entbehrungen und Qualen im Konzentrationslager. 1953 erhielt Auerbacher die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie machte es sich zur Aufgabe, Kindern und Jugendlichen von ihrem Überleben zu berichten. 1986 veröffentlichte sie ihre Erinnerungen, auf deutsch erschienen sie unter dem Titel „Ich bin ein Stern“.

Aus Theresienstadt habe es keinen Ausweg gegeben, sagte sie im Bundestag, „nur die Gaskammern in Auschwitz, zu verhungern oder an Krankheiten zu sterben“. 20 Mitglieder ihrer eigenen Familie seien von den Nazis ermordet worden und ihre enge Freundin in Theresienstadt, Ruth, und deren Eltern, die in Auschwitz starben. Wir waren wie Schwestern, sagte Auerbacher. Bei der Trennung hätten sie sich versprochen, sich zu besuchen: „Ruth, ich bin hier in Berlin, um dich zu besuchen“, rief die 84-Jährige in das Plenum des Bundestags.

Der Bundestag erinnert seit 1996 jedes Jahr mit einer eigenen Veranstaltung an die Opfer des Nationalsozialismus. Sie findet am oder um den Gedenktag für die NS-Opfer statt, dem Jahrestag der Befreiung der Überlebenden im Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945. In Auschwitz sind mehr als eine Million Menschen ermordet worden, überwiegend Jüdinnen und Juden. Der 27. Januar ist auch der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.

An der Gedenkstunde im Bundestag nehmen die Spitzen der Verfassungsorgane teil, neben dem Bundeskanzler, der Bundestagspräsidentin und dem Bundespräsidenten der Bundesratspräsident und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts.