Missbrauch am Saar-Universitätsklinikum: Betroffene in Fokus nehmen

Missbrauch am Saar-Universitätsklinikum: Betroffene in Fokus nehmen

Saarbrücken (epd). Die Unabhängige Aufarbeitungskommission zu sexuellem Missbrauch am Universitätsklinikum des Saarlandes will bei ihrer Arbeit in den kommenden Monaten vor allem die Betroffenen und ihre Familien in den Mittelpunkt stellen. Es gehe um die Anerkennung des Leids der betroffenen Familien, ihre Erfahrungen und ihre Botschaft, sagte die Beiratsvorsitzende und ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann am Mittwoch in Saarbrücken. „Die Wahrnehmung als Menschen, die was erlitten haben und Hilfe brauchen, war nicht vorhanden.“

Zwischen 2010 und 2014 soll ein Assistenzarzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie medizinisch nicht notwendige Untersuchungen im Intimbereich vorgenommen haben. Das Universitätsklinikum erstattete Ende 2014 Strafanzeige und kündigte dem Arzt fristlos. Da der mutmaßliche Täter 2016 starb, mussten die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingestellt werden. Das Universitätsklinikum und die Staatsanwaltschaft hatten damals entschieden, möglicherweise betroffene Patienten nicht über den Verdacht zu informieren. Auch der saarländische Landtag hatte sich zuletzt mit dem Fall beschäftigt.

Der Kommissionsvorsitzende Jörg Ziercke betonte, dass es einerseits um die Aufarbeitung dieser Fälle gehe, aber auch um weitere aus anderen Bereichen der Klinik, die möglicherweise auftauchten. Von 300 potenziell Betroffenen, die die Kommission im Oktober 2021 angeschrieben habe, hätten sich 41 zurückgemeldet, von denen 28 einer Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und einer Analyse der Patientenakten zugestimmt hätten. Um Strukturen zu erkennen, sei es nötig, so viele Betroffene wie möglich zu erreichen, betonte der Bundesvorsitzende des Weißen Rings.

Die Kommission plant, bis Ende 2022 ihren Abschlussbericht vorzulegen. Bis dahin beschäftigt sie sich unter anderem auch mit einer Analyse der Kommunikations- und Organisationsstrukturen am Universitätsklinikum, der Schaffung einer gemeinsamen Erinnerungskultur von Betroffenen und Klinikum sowie Täterstrategien, Präventionsmaßnahmen und Schutzkonzepten. Zu den Mitgliedern gehören die frühere Richterin am Bundesverfassungsgericht, Christine Hohmann-Dennhardt, der Soziologe Dieter Filsinger, der „Eckiger Tisch“-Sprecher Matthias Katsch, sowie die Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Doris Mallmann und Michael Brünger.