Nach Dammbruch in Brasilien: Neue Millionen-Klage gegen TÜV Süd

Nach Dammbruch in Brasilien: Neue Millionen-Klage gegen TÜV Süd
Der Dammbruch in Brumadinho 2019 war das größte Bergbau-Unglück in Brasilien. Nun fordern über 1.000 Angehörige und Überlebende Schadensersatz von TÜV Süd, das den Damm als sicher erklärt hatte. Zugleich wächst die Angst vor weiteren Dammbrüchen.

Berlin, Brasília (epd). Das Verfahren gegen TÜV Süd wegen der Dammbruch-Katastrophe im brasilianischen Brumadinho wird um Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe ausgeweitet. Insgesamt 1.106 weitere Überlebende des Unglücks von vor drei Jahren und Angehörige haben Klage gegen den deutschen Prüfkonzern eingereicht, wie der Kläger-Anwalt Jan Eric Spangenberg dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Das Landgericht München bestätigte dem epd am Montag die Klageerweiterung. Zuvor hatten lediglich sechs Angehörige einer Ingenieurin, die bei dem Unglück in der Eisenerzmine Córrego do Feijão starb, TÜV Süd auf Schadenersatz verklagt. Derweil steigt in Brasilien wegen starker Regenfälle die Angst vor weiteren Dammbrüchen.

Am 25. Januar 2019 war der Damm eines Rückhaltebeckens in der Mine in Brumadinho eingebrochen. Ein halbes Jahr davor hatte die brasilianische Tochterfirma von TÜV Süd dem Bergbaukonzern Vale die Sicherheit des Damms bescheinigt. Bei dem Unglück im Bundesstaat Minas Gerais starben mehr als 270 Menschen, das Gebiet wurde mit giftigem Schlamm überflutet.

An der Klageerweiterung beteiligen sich Anwalt Spangenberg zufolge Überlebende sowie Eltern, Ehepartner und Geschwister der Opfer. Sie fordern 440 Millionen Euro Schadenersatz. Das Landgericht München bestätigte, dass jetzt weiterverhandelt werde. Ein ursprünglich für den 1. Februar angesetzter Termin für die Urteilsverkündung sei aufgehoben. Ein Termin für die neue Verhandlung stehe noch nicht fest.

Die Angehörigen werfen TÜV Süd vor, trotz offensichtlicher Sicherheitsbedenken die Stabilität des 85 Meter hohen Damms zertifiziert zu haben. „Nach den eigenen Untersuchungen des TÜV Süd hat der Damm den anerkannten und empfohlenen Sicherheitsfaktor von 1,3 nicht erreicht. Der Damm erreichte einen erheblich geringeren Sicherheitsfaktor von zunächst nur 1,06 und später 1,09“, erklärte Spangenberg. Trotzdem stellte der TÜV Süd ein Stabilitätsgutachten aus, ohne das die Mine nicht hätte weiter betrieben werden können.

„Es gab offenbar die Sorge, dass andere Aufträge von Vale wegfallen würden, wenn keine positiven Stabilitätsgutachten ausgestellt würden“, sagt Spangenberg. Es habe eine Besprechung mit einem aus München entsandten Manager gegeben und danach sei die Stabilitätserklärung ausgestellt worden.

Das Gericht muss jetzt klären, ob der TÜV Süd Schuld oder eine Mitschuld an dem Unglück hat. Das Prüfunternehmen hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Der Betreiberkonzern Vale war von der brasilianischen Justiz bereits zu Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe verurteilt worden, die aber größtenteils für die Beseitigung der Umweltschäden durch die giftigen Schlammmassen aufgewendet werden.

Nach den schweren Regenfällen der vergangenen Wochen wurde die Angst vor weiteren Dammbrüchen in Brasilien wieder größer. Laut Energieministerium wurde für 40 Dämme die Warnstufe ausgerufen. Anfang des Jahres lief bereits giftiger Schlamm aus der Mine Pau Branco des französischen Unternehmens Vallourec in unmittelbarere Umgebung der Millionenstadt Belo Horizonte in Minas Gerais aus. Der Schlamm ergoss sich über eine Strecke von etwa vier Kilometern.

Nach Untersuchungen der brasilianischen Nationalen Bergbaubehörde gibt es 65 Dämme vom gleichen Typ der gebrochenen Dämme in Brumadinho und Mariana (2015). Sie gelten wegen ihrer Bauweise, die inzwischen veraltet ist, als besonders anfällig. Insgesamt sind in Brasilien 906 Dämme für sogenannte Rückhaltebecken von Minen im Einsatz.