Der große Traum

Der große Traum
mit Pfarrerin Stefanie Schardien
19.02.2022 - 23:55
20.01.2022
Stefanie Schardien

Und gebe dir Frieden

Das letzte Wort, das ich als Pfarrerin in meinen Gottesdiensten sage, ist immer dasselbe. Ganz kurz. Zwei Silben. Winzig, aber mit Riesenbedeutung. Nicht Amen. Das spricht die Gemeinde. Mein letztes Wort gehört zum biblischen Segen, der die Menschen aus dem Gottesdienst hinausbegleitet: „Gott erhebe das Angesicht auf dich und gebe dir… Frieden.

Normalerweise denke ich dabei oft an den kleinen privaten Frieden. Dass die Menschen friedlich miteinander umgehen, in sich Ruhe und Frieden finden bei allen Alltagssorgen…. In diesen letzten Wochen und Tagen denke ich dabei an anderes: Krieg. Tausende Soldaten an den Grenzen der Ukraine, bereit zum Einmarsch, zum Verteidigen.

Schrecklich. Auch wenn hier so manche maximal über die steigenden Gaspreise schimpfen: Mich lässt das nicht kalt, wenn ich mir vorstelle, wie viele Tausende Tote und Verletzte es geben würde bei so einem Krieg. In einem Land, das von uns nicht weiter entfernt ist als Aachen von Görlitz.

Darum reisen die gerade im Moment Mächtigen durch die Welt und versuchen es mit Diplomatie, mit Drohen und dann wieder mit Anreizen. Kriegsvermeidungsstrategien. Im besten Fall… Das ist wichtig, besser als nichts. Aber: Reicht das?

Wenn ich am Ende vom Gottesdienst um Frieden bitte, ist das total anders: überhaupt nicht diplomatisch. Ich bitte auch um viel mehr. Nicht: Gott gebe uns Ideen, Angriffe zu verhindern, sondern: Gott gebe uns Frieden! Und die Gemeinde antwortet: „Amen. So sei es.“ Ohne Verhandlungsspielraum.

In den Bildern der Bibel ist Gottes Frieden immer so riesig und weit. Höher als all unsere Vernunft. Dann liegen da, eigentlich unmöglich, Wolf und Lamm beieinander, nicht in abgegrenzten Sicherheitszonen. Total unvernünftig? Ja, sag ich ja: Das ist höher als all unsere Vernunft! Und darum geht es in Gottes Friedensidee nicht um Waffenlieferungen, sondern um nützlich umgeschmiedete Waffen: Schwerter zu Pflugscharen. Nicht gezwungen, sondern weil die Menschen das so wollen. Gottes Frieden ist viel mehr als nur „Kein Krieg“. Im Krieg gibt’s nur Verlierer. In Gottes Frieden gewinnen alle.

Aber……glaube ich denn ernsthaft, dass das auch nur irgendwas hilft, wenn ich in Fürth sonntags um 11 Gott um Frieden bitte? Wo es doch im echten Leben nun mal dieses politische Ringen um jeden Millimeter Kriegsvermeidung braucht?

Doch, glaub ich wirklich. Weil uns das daran erinnert, dass es diesen großen Frieden braucht. Dass nur so Visionen entstehen: Putin und Biden und Selenskyj an einem Tisch, lachend, spielend, essend. Eigentlich unmöglich? Dass alles schwelende Misstrauen und die Angst voreinander sich auflösen in der Erfahrung: Im Frieden geht es uns allen gut. Besser als in jedem Krieg. Und die Bitte um Frieden hilft, weil sie unsere Sehnsucht ausspricht. Jede und jeder von uns, an jedem Küchentisch der Welt, in allen Büros und auf jedem Spielplatz: jeder möchte in Frieden leben, egal was Machthaber einflüstern. Darum wird die Hoffnung auf Gottes Frieden auch am Ende so mächtig sein. Und darum sollten wir davon erzählen und darum bitten. Immer wieder. Ob sonntags um 11 oder jetzt gleich.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht.
Gott erhebe das Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

20.01.2022
Stefanie Schardien