Traktorenprotest im Berliner Regierungsviertel geplant

Traktorenprotest im Berliner Regierungsviertel geplant
Höfesterben, Preisdumping, Tierfabriken, Insektensterben, Klimakrise - die Herausforderungen für Cem Özdemir sind nach Ansicht des Agrarbündnisses "Wir haben es satt!" immens. Der neue Minister müsse den Systemwechsel endlich anpacken.

Berlin (epd). Mit einem Traktorenprotest im Berliner Regierungsviertel am Samstag will ein breites Bündnis für den Umbau der Agrarindustrie den Druck auf die Bundesregierung erhöhen. Ziel müsse endlich ein Systemwechsel in der Land- und Lebensmittelwirtschaft hin zu Ökologie, Klimaschutz und Gerechtigkeit sein, erklärten Vertreter des Bündnisses „Wir haben es satt!“ am Dienstag. Wegen der Coronavirus-Pandemie sei auch in diesem Jahr kein Massenprotest mit Zehntausenden Teilnehmern in der Hauptstadt möglich. Der Traktorenprotest solle aber den Blick auf die Forderungen des Bündnisses lenken, die sich vor allem an den neuen Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) richten.

„Wir haben es satt!”-Sprecherin Saskia Richartz informierte über den geplanten Protest mit 25 bis 30 Traktoren aus dem Berliner Umland und die Übergabe einer Protestnote an Minister Özdemir. Außerdem werde am Samstag ein überdimensionales Banner mit der Aufschrift “Agrarwende jetzt!" an der Spree gebildet. Ferner seien flankierende Online-Aktionen geplant, damit Menschen ihre Forderungen auch ohne direkte Kontakte zum Ausdruck bringen könnten.

Das „Wir haben es satt!“-Bündnis besteht aus mehr als 60 Organisationen. Der gemeinsame Protest findet seit 2011 alljährlich zum Auftakt der „Grünen Woche“ statt. Wegen der Pandemie wurde die Großdemonstration 2022 erneut verschoben.

Martin Hofstetter von Greenpeace zeichnete ein düsteres Bild der Landwirtschaft in den zurückliegenden 16 Jahren. Statt eines Umbaus hin zu einer ökologischen Landwirtschaft sei am bestehenden System festgehalten worden. Es gebe inzwischen einen großen Reformstau. In der Folge müssten immer mehr Betriebe schließen, weil sie keine Zukunftsperspektiven sähen. Viel zu lange sei nicht mit Einsicht und Vorausschau, „sondern mit falsch verstandener Klientelpolitik“ regiert worden. „Wir fordern endlich eine andere Agrarpolitik“, sagte Hofstetter.

Ottmar Ilchmann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft beklagte nicht faire und nicht kostendeckende Erzeugerpreise. Dies liege auch an einem starken Machtgefälle innerhalb der Wertschöpfungskette. „Wir brauchen keine kosmetischen Veränderungen, sondern einen Systemwandel“, sagte Ilchmann. Eigentlich sei allen Beteiligten klar, „dass es so nicht weitergehen kann“.

Marita Wiggerthale von Oxfam machte darauf aufmerksam, dass die Supermarktketten Rekorderlöse erzielten und gleichzeitig ihre „ruinöse Einkaufsstrategie“ fortsetzten. Die Verkaufspreise im Laden müssten mindestens die Produktionskosten decken. Özdemir müsse schnell den Rahmen für Preisgerechtigkeit in der Landwirtschaft schaffen. Auch Tina Andres vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft forderte einen Neustart: Die Ernährungswirtschaft nicht zu verändern, würde zukünftige Generationen viel mehr Geld kosten.

Rüdiger Jürgensen von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten beklagte fehlende Mindeststandards für die Tierhaltung. Die Hochleistungszucht verlange den Tieren Leistungen ab, die sie rein körperlich gar nicht erbringen könnten. Tierhaltungssysteme und -verfahren müssten an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden, nicht umgekehrt.