Intensivmediziner: Bei Triage darf Impfstatus keine Rolle spielen

Intensivmediziner: Bei Triage darf Impfstatus keine Rolle spielen

Berlin (epd). Der Impfstatus eines Covid-19-Patienten darf keine Rolle spielen, wenn es zu wenige Intensivbetten gibt und die Ärzte auswählen müssen, welche Patienten behandelt werden. Das geht aus den aktualisierten Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hervor, die am Freitag vorgestellt wurden. Die Vereinbarung stellt außerdem klar, dass Covid-19- Erkrankte und alle anderen Patientinnen und Patienten bei Auswahlentscheidungen gleichbehandelt werden müssen, auch die, die auf eine Operation warten und deren Zustand sich durch eine weitere Verschiebung lebensbedrohlich verschlechtern würde.

Die Empfehlungen richten sich an alle medizinischen Teams, die Auswahlentscheidungen treffen müssen. Das entscheidende Kriterium ist die Erfolgsaussicht für die Behandlung eines Patienten. In die ärztliche Bewertung gehen zahlreiche Faktoren ein. Die Empfehlungen waren im März 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie erstmals veröffentlicht worden, als es noch keine Impfungen gab. Deshalb und wegen der sich dramatisch zuspitzenden Lage in der vierten Welle wurden sie jetzt aktualisiert.

Der Internist und frühere DIVI-Präsident Uwe Janssens appellierte eindringlich an die Politik, jetzt „schnellste Entscheidungen für ganz Deutschland“ zu treffen, damit die Teams in den Kliniken nicht in solche Entscheidungssituationen kämen. Die Infektionsketten müssten unterbrochen werden. Angesichts der Infektionszahlen sei in den nächsten Tagen täglich mit Hunderten neuer Intensivpatienten zu rechnen. In Kürze werde der Höchststand von 5.723 Covid-19-Patienten vom Januar dieses Jahres auf den Intensivstationen erreicht sein und mit Sicherheit deutlich überschritten werden - bei knapper gewordenen Ressourcen, sagte Janssens.

Die Ärzteschaft warne in vielen Regionen bereits vor der Triage, sagte Janssens, also dem Zwang, Patienten zur Behandlung auszuwählen, weil die Betten und das personal nicht für alle reichen. Es könnten nicht mehr alle akut erkrankten Patienten mit und ohne Covid-19 qualitativ und ausreichend versorgt werden. Die Intensivmediziner fordern, dass planbare Operationen in allen Krankenhäusern in Deutschland verschoben werden, um mehr freie Kapazitäten zu schaffen und die Kliniken in den Regionen mit extrem hohen Patientenzahlen zu entlasten. Die Politik müsse eine entsprechende Verordnung erlassen, sagte Janssens.

Das Robert Koch-Institut meldete am Freitag mit 76.414 Neuinfektionen binnen 24 Stunden erneut einen Höchststand. Die 7-Tage-Inzidenz stieg auf 438,2. 357 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung.