Steinmeier erinnert an Opfer deutscher Kriegsverbrechen in Osteuropa

Steinmeier erinnert an Opfer deutscher Kriegsverbrechen in Osteuropa
Zahlreiche Veranstaltungen erinnerten am Volkstrauertag an die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus. Viele Deutsche scheuen dabei laut Bundespräsident Steinmeier noch immer zu Unrecht den Blick nach Ost- und Südosteuropa.

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum Volkstrauertag die Opfer des deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges in Ost- und Südosteuropa in den Fokus gerückt. Orte, die auf dem Vormarsch der Wehrmacht durch Polen, das Baltikum, Belarus und die Ukraine nach Russland lagen, sagten vielen Deutschen heute nichts, sagte er am Sonntag bei einer zentralen Gedenkstunde im Bundestag. Das Gedächtnis versage vor den Verbrechen an Zivilisten, Zwangsarbeitern und sowjetischen Kriegsgefangenen. Bereits in den ersten Monaten nach dem Überfall seien Hunderttausende ums Leben gekommen: „Verhungert, erschlagen, erschossen.“

Auschwitz sei zum Inbegriff des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden geworden, sagte Steinmeier. Doch über eine Karte, welche jenseits der Vernichtungslager in Belarus, in der Ukraine, in Russland und andernorts im Osten Europas die zahllosen anderen Orte deutscher Verbrechen verzeichnet, verfüge unser Gedächtnis nicht.

Viele Deutsche empfänden Unbehagen vor militärischen Ritualen, sagte der Bundespräsident. Verantwortung für die eigene Geschichte anzunehmen, dürfe aber nicht bedeuten, die Auseinandersetzung mit den Konflikten der Gegenwart zu scheuen: „Wir müssen die Sprachlosigkeit überwinden - auch die Sprachlosigkeit vieler Teile der Gesellschaft gegenüber unserer Armee.“

Steinmeier hatte zuvor gemeinsam mit Vertretern von Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht an einer Kranzniederlegung zum Volkstrauertag in der Neuen Wache teilgenommen, der zentralen Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gedachte auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee in Berlin der im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten jüdischen Glaubens. Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, forderte dabei vor dem Hintergrund einer Zunahme an Vorkommnissen mit rechtsextremem oder rassistischem Hintergrund in der Bundeswehr einen entschiedenen Kampf gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. „Die umfassende und systematische Bekämpfung von Antisemitismus und Rassenhass darf nicht länger dem Zufall überlassen bleiben“, sagte er.

Der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, erinnerte bei der Gedenkstunde im Bundestag daran, dass mehr als die Hälfte der fünf Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen zu Tode gekommen seien. Sich der eigenen Verantwortung zu stellen, bedeute, Stolz auf wirtschaftliche und kulturelle Errungenschaften mit Anerkennung der Zerstörung anderer Länder zu verbinden, sagte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge organisierte zum Volkstrauertag überdies Gedenkveranstaltungen am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin und an der Gedenkstätte Plötzensee.