Verhandlungsbereit

Frau gestikuliert im Gespraech
©Priscilla du Preez/Unsplash
Gott lässt mit sich reden. Er lässt sogar mit sich handeln. Frank Muchlinsky ruft zum Nachmachen auf im neuen Zuversichtsbrief.
Zuversichtsbrief - Woche 88
Verhandlungsbereit
Gott lässt mit sich reden. Er lässt sogar mit sich handeln. Frank Muchlinsky ruft zum Nachmachen auf im neuen Zuversichtsbrief.

Der Herr sagte: "Ja, die Klagen über Sodom und Gomorra sind groß, und ihre Vergehen wiegen schwer. Ich will hinabsteigen und die Klagen prüfen, die vor mich gekommen sind: Haben sie wirklich so schlecht gehandelt oder nicht? Ich will es wissen." Zwei von den Männern machten sich auf nach Sodom. Der Herr aber blieb bei Abraham zurück.
Abraham trat näher und fragte: "Willst du wirklich Gerechte und Frevler ohne Unterschied vernichten? Vielleicht gibt es 50 Gerechte in der Stadt. Willst du sie trotzdem vernichten? Willst du den Ort nicht verschonen wegen der 50 Gerechten darin? Das kannst du doch nicht tun und den Gerechten wie den Frevler töten! Dann würde es den Gerechten ergehen wie den Frevlern. Nein, das kannst du nicht tun. Der Richter der ganzen Welt begeht doch kein Unrecht." Der Herr antwortete: "Wenn ich in der Stadt Sodom 50 Gerechte finde, verschone ich ihretwegen den ganzen Ort.« Aber Abraham fuhr fort: "Ich bin nur Staub und Asche. Dennoch habe ich es gewagt, mit dem Herrn zu reden. Vielleicht sind es 5 weniger als 50 Gerechte. Willst du wegen der 5 die ganze Stadt zerstören?" Da sagte er: "Nein, ich werde sie nicht zerstören, wenn ich dort 45 Gerechte finde." Abraham richtete noch einmal das Wort an ihn: "Vielleicht lassen sich dort nur 40 finden. "Er antwortete: "Wegen der 40 werde ich es nicht tun." Abraham sagte: "Mein Herr, sei mir nicht böse, wenn ich weiterspreche. Vielleicht lassen sich dort nur 30 finden." Er entgegnete: "Wenn ich dort 30 finde, werde ich es nicht tun." Abraham fing wieder an: "Ich habe es nun einmal gewagt, mit dem Herrn zu verhandeln. Vielleicht sind es nur 20." Er antwortete: "Wegen der 20 werde ich Sodom nicht zerstören." Abraham redete weiter:" Mein Herr, sei mir nicht böse, wenn ich noch ein letztes Mal das Wort ergreife. Vielleicht gibt es dort nur 10 Gerechte." Er erwiderte: "Wegen der 10 werde ich die Stadt nicht zerstören." Der Herr ging fort, nachdem er das Gespräch mit Abraham beendet hatte. Daraufhin kehrte Abraham in sein Lager zurück.

1. Mose 18,20–33 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold.

Liebe Beharrliche,

wünschen Sie sich ab und an, dass Gott eingreift? Nicht sanft durch einen Geist, der Menschen ergreift und sie zu Gutem antreibt, sondern so richtig mit Feuer vom Himmel? Man mag das nicht gern laut sagen, sicherlich. Trotzdem kann dieser Wunsch nach einem Gott, der eingreift, erwachen und groß werden. Letztlich ist jede Frage "Warum lässt Gott das zu?" ein Wunsch nach solch einem Gott. Wenn wir an einer Situation verzweifeln, kann der Hilferuf nach dem Allmächtigen sehr befreiend sein. Die Bibel ist voll von Aufforderungen, gläubige Menschen sollten genau das tun: "Bittet Gott, vertraut Gott, und er wird euch helfen!" Gott um Hilfe zu bitten, ist schlicht und einfach fromm. Trotzdem schrecken wir aus guten Gründen davor zurück, Gott darum zu bitten, anderen Menschen Leid zuzufügen – selbst, wenn sie das verdient hätten.

Und damit sind wir bei der Bibelstelle für diese Woche angekommen. Gott macht sich auf den Weg nach Sodom, weil es viele Klagen gegen die Stadt gegeben hat. Anscheinend haben viele Menschen sich im Gebet über das Leid beklagt, das dort geschieht. Nun will Gott schauen, wie es sich tatsächlich verhält. Das ist eine ausgesprochen ungewöhnliche Szene für die Bibel und auch für unsere übliche Vorstellung. Muss sich Gott von der Dringlichkeit eines Gebetsanliegens überzeugen? Braucht er einen Fakten-Check? Nun, in dieser Geschichte wird es so erzählt. Ist die Lage tatsächlich so schlecht, wie Gott gehört hat? Oder haben die Betenden übertrieben in ihrer Klage über Sodom? Gott schickt zwei "Männer" in die Stadt, vermutlich sind es Engel.

Es ist bereits ungewöhnlich, dass Gott Zweifel an der Richtigkeit der Klage über Sodom hat, doch was dann geschieht, lässt die Geschichte erst recht merkwürdig erscheinen. Anscheinend ist sich Gott selbst noch nicht einmal über den Maßstab sicher, den er anlegen will. Wie viele gerechte Menschen braucht es in einer Stadt, damit sie trotz der Gräuel, die in ihr geschehen, nicht untergehen muss? 50? 45? Ganze sechs Mal bittet Abraham für die Stadt und senkt die Zahl bis auf 10 Gerechte. Es scheint, als würde Abraham Gott "runterhandeln". Wer allerdings genau hinschaut, wird feststellen, dass Gott zu Beginn gar keine Zahl genannt hat. Vielleicht wollte Gott von vornherein nach 10 Menschen Ausschau halten, derentwegen die gesamte Stadt gerettet werden würde. Trotzdem ist es eine amüsante Szene, in der Abraham Gott scheinbar mehr Gnade abtrotzt. Geschickt stellt er das an, bedankt sich immer wieder untertänig dafür, überhaupt solche Bitten stellen zu dürfen, ja überhaupt so mit Gott reden zu dürfen. Die Tatsache, dass Abrahams Neffe Lot in Sodom lebt, ist vermutlich eine gute Motivation dabei.

Trotzdem geht die Geschichte tragisch aus. Es sind keine 10 Menschen in der Stadt, um derentwillen sie verschont werden würde. Stattdessen droht den Botschaftern Gottes dort sexualisierte Gewalt. Und so geht die Stadt unter. Gott greift ein. Ich erlaube mir die Frage, ob Sodom wegen der vielen Gebete untergegangen ist, die Gott um Hilfe baten. Und ich erlaube mir die Frage, warum Gott vorgeworfen wird, hier grausam zu handeln. Anscheinend tut er doch genau das, was die Menschen von ihm wollen.

Wie gesagt, diese Bibelstelle ist ungewöhnlich bis merkwürdig. Folgende Erkenntnisse lassen sich meines Erachtens trotzdem festhalten: Zunächst einmal lässt Gott mit sich reden und zeigt sich verhandlungsbereit. Das ist eine schöne Vorstellung, besonders wenn man gerade das Gefühl hat, Gott interessiere sich nicht. Besonders empfänglich scheint Gott dafür zu sein, wenn man für andere betet. Fünfmal durfte Abraham nachlegen. Schließlich sollten wir darauf achten, worum genau wir beten, wenn wir Gott um sein Eingreifen bitten.

Meine Wochenaufgabe für Sie lautet so: Machen Sie es wie Gott in dieser Geschichte! Machen Sie einen Fakten-Check, wenn man Ihnen etwas erzählt. Und vor allem: Lassen Sie mit sich reden! Beharren Sie nicht ohne Not auf etwas, sondern lassen Sie sich darauf ein, noch freundlicher und großzügiger zu sein, als Sie ohnehin sind.

Das kann eine schöne Woche werden. Ich wünsche es Ihnen.

Ihr Frank Muchlinsky