Oberbürgermeister warnen vor zunehmender Radikalisierung im Land

Oberbürgermeister warnen vor zunehmender Radikalisierung im Land

Berlin (epd). Nach dem tödlichen Schuss auf einen Kassierer in Idar-Oberstein warnen mehrere Oberbürgermeister deutscher Kommunen vor einer zunehmenden Radikalisierung in der Gesellschaft. „Wir erleben eine Verrohung, wie wir sie bisher nicht kannten“, sagte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). Dies habe 2015 mit der Flüchtlingsdebatte begonnen und sich in der Pandemie fortgesetzt von Reichsbürgern bis zu Corona-Leugnern. „Die Radikalisierung in der Gesellschaft trifft uns vor Ort besonders hart“, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages.

Der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), René Wilke (Linke) sagte der Zeitung, er mache sich ernsthafte Sorgen um die Fähigkeit der Gesellschaft, in den nächsten Jahren die notwendigen Diskussionen respektvoll führen zu können. Die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) forderte, klar zu benennen, dass die Tat von Idar-Oberstein „in einem gewissen Sinne ein politisch motivierter Mord war, ausgeübt von einem Täter mit rechtem, verschwörungstheoretischem Hintergrund und Netzwerk“.

Die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sehen sich nur unzureichend vor Beleidigungen und Bedrohungen geschützt: „Wenn es hart auf hart kommt, fühle ich mich ausgeliefert, weil man überhaupt keine Möglichkeit hat, sich zur Wehr zu setzen“, sagte die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU). Wenn sie Anzeige erstatte, würden die Verfahren oft eingestellt.

In Idar-Oberstein war am Wochenende ein 20-jähriger Tankstellen-Mitarbeiter mutmaßlich von einem Maskenverweigerer mit einem Revolver getötet worden. Der 49-jährige Tatverdächtige wollte ohne den in der Pandemie vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz Bier kaufen. Darüber gab es laut Polizei zwischen ihm und dem späteren Opfer „eine kurze Diskussion“. Danach verließ der 49-Jährige den Angaben zufolge die Tankstelle, kam aber etwa eineinhalb Stunden später zurück und erschoss den Studenten. In seiner Vernehmung gab er laut Polizei an, er lehne die Anti-Corona-Maßnahmen ab. Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus.