Mehrere humanitäre Hilfsorganisationen bleiben in Afghanistan

Mehrere humanitäre Hilfsorganisationen bleiben in Afghanistan
Während Deutschland und andere Staaten ihre Evakuierungsflüge aus Kabul fortsetzen, verschärft sich in Afghanistan die humanitäre Krise. Mehrere internationale Organisationen arbeiten mit afghanischen Kräften weiter. Dafür wird Geld benötigt.

Berlin (epd). Internationale Hilfsorganisationen wollen ihre Arbeit in Afghanistan auch nach der Machtübernahme der Taliban fortsetzen. Neben dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und der Welthungerhilfe will auch die Organisation International Rescue Committee (IRC) am Hindukusch aktiv bleiben. Der Leiter des Büros von Caritas International, Stefan Recker, hat Afghanistan zwar verlassen. Ein Caritas-Sprecher sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch aber, dass die Projekte des katholischen Hilfswerks von afghanischen Partnerorganisationen umgesetzt würden. Die Evakuierungsflüge von Kabul nach Usbekistan gingen derweil weiter.

In der afghanischen Hauptstadt hob am Vormittag eine deutsche Maschine mit 176 Menschen an Bord ab, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) auf Twitter mitteilte. Nach der Machtübernahme der Taliban am Sonntag hat die Bundeswehr damit bislang etwa 450 Menschen in vier Maschinen nach Taschkent in Usbekistan ausgeflogen. Neben Deutschen und Staatsbürgern anderer Länder waren darunter auch Afghanen, die für die Streitkräfte und Hilfsorganisationen gearbeitet haben und denen Racheaktionen der islamischen Extremisten drohen. Von Usbekistan aus reisen sie unter anderem nach Deutschland weiter. Die sogenannte Luftbrücke der internationalen Streitkräfte soll, solange es die Sicherheitslage zulässt, fortgesetzt werden. Das Kabinett brachte dafür am Mittwoch ein Bundeswehrmandat auf den Weg.

Da die Taliban die Zugänge zum Kabuler Flughafen kontrollieren, will die Bundesregierung mit ihnen verhandeln, damit afghanische Ortskräfte durchgelassen werden. Laut Maas ist der Botschafter Markus Potzel dafür nach Doha gereist. In der Hauptstadt Katars waren auch die Friedensgespräche von Taliban mit der nun gestürzten afghanischen Regierung geführt worden, an denen neben den USA auch deutsche Diplomaten teilnahmen. Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour warf der Bundesregierung im Gespräch mit dem Fernsehsender Phoenix vor, zu spät gehandelt zu haben. „Wir sind jetzt erpressbar durch die Taliban, wenn wir die Leute dort befreien wollen.“

Bischöfe der beiden großen Kirchen riefen zur schnellen und unbürokratischen Hilfe für die Bevölkerung in Afghanistan auf. In einer von der Deutschen Kommission Justitia et Pax verbreiteten Erklärung hieß es: „Die Bilder und Berichte vom Flughafen in Kabul zeigen überdeutlich deren existentielle Ängste.“ Die Bundesregierung möge auch jenen Menschen unkompliziert ein Bleiberecht in Deutschland gewähren, die schon vor 2013 mit der Bundeswehr, etwa als Übersetzer, kooperiert hätten.

Die humanitäre Lage am Hindukusch spitzt sich derweil zu. Seit Beginn des Jahres sind laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mehr als 550.000 Afghaninnen und Afghanen vor der Gewalt geflohen. Das Hilfsprogramm der UN-Organisation für die afghanischen Flüchtlinge ist zugleich stark unterfinanziert: Von den benötigten 142 Millionen US-Dollar für 2021 hat die internationale Staatsgemeinschaft den Angaben nach bisher lediglich 53 Prozent bereitgestellt.

Dem IRC zufolge sind aktuell mehr als 18 Millionen Menschen in Afghanistan auf humanitäre Hilfe angewiesen. IRC-Präsident David Miliband erklärte, dass 30.000 Personen wöchentlich Afghanistan als Flüchtlinge verließen - nach Pakistan, wo schon zwei Millionen Flüchtlinge lebten, und in den Iran, wo es 800.000 seien. Da die Grenzübergänge geschlossen seien, nähmen viele womöglich den gefährlichen Weg auf sich, illegal über die Grenze zu kommen. Die überwiegende Mehrheit hilfsbedürftiger Personen bleibe aber in Afghanistan. Deshalb sei es unabdingbar, mehr Geld für humanitäre Hilfe vor Ort bereitzustellen.

Das IRC arbeite auch jetzt weiter, sagte Miliband. Rund 1.700 afghanische IRC-Beschäftigte seien weiterhin in dem Land. 44 Prozent der Belegschaft seien Frauen. Sie arbeiteten schon seit geraumer Zeit auch in von Taliban kontrollierten Gebieten. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wurde derweil ausgesetzt.