Dem Kollegen die Hose herunterzuziehen kann Kündigungsgrund sein

Dem Kollegen die Hose herunterzuziehen kann Kündigungsgrund sein

Erfurt (epd). Einem Kollegen die Hose bis auf die Genitalien herunterzuziehen, stellt eine sexuelle Belästigung dar. Solch eine „sexualbezogene Beschämung“ stellt „an sich“ einen wichtigen Grund für eine Kündigung dar, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil. (AZ: 2 AZR 596/20) Den konkreten Rechtsstreit verwiesen die Erfurt Richter jedoch an das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) zurück, weil unter anderem nicht klar ist, ob der klagende Arbeitnehmer mit der Aktion tatsächlich auch die Genitalien seines Kollegen zur Schau stellen wollte.

Der Kläger arbeitet seit 2014 in der Fertigung bei einem Automobilhersteller. In einer Nachtschicht im Mai 2019 näherte er sich einem Leiharbeiter und zog vor aller Augen mit einem Ruck dessen Hose und Unterhose herunter. Die Genitalien des Kollegen waren mehrere Sekunden zu sehen, was die anderen Beschäftigten mit Gelächter quittierten.

Die Aktion blieb nicht folgenlos. Der Arbeitgeber kündigte dem Mann fristlos. Das LAG hielt dagegen die Kündigung für unwirksam.

Das BAG hob diese Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit wegen fehlender Feststellungen zurück. Werde einem Kollegen gegen dessen Willen die Hose heruntergezogen, um dessen Genitalien zur Schau zu stellen, stelle das eine sexuelle Belästigung dar und sei „an sich“ geeignet, eine Kündigung zu begründen. Solch ein Verhalten der „sexualbezogenen Beschämung“ sei ein entwürdigender Eingriff in die Intimsphäre und verletze das Persönlichkeitsrecht.

Ob die fristlose Kündigung hier gerechtfertigt war, müsse dennoch vom LAG noch einmal geprüft werden. Denn laut BAG sei unklar, ob der Kläger nur die Arbeitshose oder auch die Unterhose herunterziehen wollte. Auch habe der Kläger vorgebracht, dass der Kollege ihm in der Vergangenheit ebenfalls die Hose heruntergezogen habe. Das spiele für den Grad des Verschuldens eine Rolle. Gegebenenfalls wäre auch eine Abmahnung als milderes Mittel angebracht gewesen.