Motiv nach Würzburger Messerattacke weiter unklar

Motiv nach Würzburger Messerattacke weiter unklar
Islamistischer Hintergrund vermutet, bislang aber keine Beweise
Die Ermittler suchen nach der tödlichen Messerattacke von Würzburg weiter nach einem Motiv des 24-jährigen Tatverdächtigen. Ein islamistischer Hintergrund wurde bereits kurz nach der Tat vermutet - Beweise dafür wurden bislang aber keine gefunden.
29.06.2021
epd
Von Daniel Staffen-Quandt (epd)

Würzburg, München (epd). Nach der Messerattacke in Würzburg mit drei Toten und sieben Verletzten suchen die Ermittler weiter nach einem Motiv des 24-jährigen Tatverdächtigen. Zwar liege „ein islamistischer Hintergrund für die Taten“ nahe, teilten die Generalstaatsanwaltschaft München und das Landeskriminalamt am Dienstag gemeinsam mit. Hinweise auf Propagandamaterial oder sonstige extremistische Inhalte wurden bei dem Tatverdächtigen bislang aber nicht gefunden.

Die Ermittler gehen von einem islamistischen Tatmotiv aus, weil der tatverdächtige Somalier nach Aussagen von Augenzeugen während der Tat zwei Mal „Allahu Akbar“ („Gott ist am Größten“) gerufen haben soll. Im Krankenbett einer Würzburger Klinik soll er die Tat zudem als seinen „Dschihad“, also als „Heiligen Krieg“, bezeichnet haben. Die Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft werde ein gerichtspsychiatrisches Gutachten in Auftrag geben.

Mit diesem Gutachten soll unter anderem die Frage der Schuldfähigkeit geklärt werden - und auch die Frage der Unterbringung in einer Psychiatrie. Der tatverdächtige Somalier wirkte nach Angaben von Augenzeugen verwirrt, zugleich aber stach er mit dem 33 Zentimeter langen Küchenmesser gezielt zu. Der Terrorexperte Peter Neumann vom Londoner King's College sagte dem Bayerischen Rundfunk (BR), die Grenze zwischen psychischer Auffälligkeit und islamistischem Motiv sei schwer zu ziehen.

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour schätzt die Gefahr weiterer Anschläge als sehr hoch ein. Eine Mischung aus Labilität, gepaart mit ideologischen Zügen und vielleicht einer persönlichen Krise könne „dazu führen, dass diese Leute auch bereit wären, im Namen dieser Ideologie und Labilität andere Menschen zu verletzen“, sagte Mansour am Dienstag dem Radiosender Bayern 2. In den vergangenen Jahren seien Anschläge zu beobachten, bei denen die Täter keinen Kontakt zu Terrororganisationen hatten.

Bereits am vergangenen Samstag hatte die Generalstaatsanwaltschaft München das Ermittlungsverfahren gegen den Mann übernommen, das Landeskriminalamt richtete die Sonderkommission (Soko) „Main“ ein und ermittelt derzeit zusammen mit dem Polizeipräsidium Unterfranken zur Tat. Unterstützung erhalten sie dabei von Experten des Bundeskriminalamtes, von Übersetzern sowie von Islamwissenschaftlern, teilten die Behörden mit.

In der städtischen Obdachlosenunterkunft, in der der Mann zuletzt gewohnt hatte, stellten die Ermittler bereits am Wochenende zahlreiche Gegenstände sicher - darunter zwei Handys. Der Mann reiste laut Landeskriminalamt am 6. Mai 2015 nach Deutschland ein, in Würzburg ist er seit 4. September 2019 ansässig. In seinem Asylantrag gab er an, vor der Terrororganisation Al-Shabaab in Somalia geflohen zu sein. Deshalb hat er sogenannten subsidiären Schutz erhalten.

Im Januar 2021 sagte ein Zeuge gegen den wegen mehrerer Gewaltdelikte polizeibekannten 24-Jährigen aus, er habe im Jahr 2015 ein Telefonat des Beschuldigten mitgehört. Demnach soll der Somalier in den Jahren 2008/2009 selbst als Elf- oder Zwölfjähriger für die Terrormiliz Al-Shabaab Zivilisten, Journalisten und Polizisten in Somalia getötet haben. Mangels konkreter Tatsachen leitete weder die Generalbundesanwaltschaft noch die bayerische ZET ein Ermittlungsverfahren ein.

In Würzburg hatte am Freitag ein 24 Jahre alter Somalier in einem Kaufhaus ein Messer an sich genommen und drei Frauen im Alter von 82, 49 und 24 Jahren erstochen. Im Anschluss verletzte er in der Innenstadt vier weitere Frauen, ein elf Jahre altes Mädchen und einen 16-Jährigen schwer. Alle befinden sich inzwischen außer Lebensgefahr, teilte das LKA weiter mit. Ein weiterer Mann wurde von dem Somalier leicht verletzt.