Erzbistum Berlin veröffentlicht komplettes Missbrauch-Gutachten

Erzbistum Berlin veröffentlicht komplettes Missbrauch-Gutachten
Im Januar veröffentlichte das Erzbistum Berlin ein teils geschwärztes Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen, das nun online einsehbar ist. Darin werden Verstöße gegen die Aufarbeitungsrichtlinien genannt. Die Konsequenzen bleiben unklar.

Berlin (epd). Das Erzbistum Berlin hat am Freitag einen bislang unveröffentlichten Teil eines Gutachtens zum Umgang mit Missbrauchsfällen ins Internet gestellt. In den nun zugänglichen mehr als 400 Seiten befinden sich detaillierte Darstellungen von 61 Missbrauchsfällen, die die Kanzlei Redeker Sellner Dahs im Auftrag des Erzbistums untersucht hatte. Die Gutachter zählen darin mehrere Verstöße gegen die Aufarbeitungsrichtlinien der Deutschen Bischofskonferenz. Der frühere Berliner Erzbischof und heutige Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, wird im Zusammenhang mit zwölf Fällen erwähnt. Erzbischof Heiner Koch taucht in 13 Falldarstellungen auf. Ein erster Teil des insgesamt fast 670 Seiten umfassenden Gutachtens war bereits Ende Januar veröffentlicht worden.

Der heutige Kölner Erzbischof Woelki, der in seinem eigenen Bistum wegen Vertuschungsvorwürfen und mangelnder Aufarbeitung massiv unter Druck steht, war von 2011 bis 2014 Erzbischof von Berlin. In dem heute veröffentlichten Teil C des Gutachtens bringen die Gutachter in einem Fall ihre Verwunderung über die Einstellung eines kirchlichen Vorermittlungsverfahrens zum Ausdruck, die aus den Akten nicht zu erklären sei. Woelki verteidigt diese Entscheidung in einer beigefügten Stellungnahme.

Die Bewertung des Gutachtens sei jetzt Sache einer Kommission, hieß es aus dem Erzbistum. Anders als beispielsweise in dem rechtlichen Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln ist in dem Berliner Gutachten nicht von „Pflichtverletzungen“ die Rede.

Bei der Bekanntgabe des ersten Teils des Gutachtens mit dem Titel „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin seit 1946“ hatte das Erzbistums entschieden, Details der damals bislang bekannten 61 Fälle von beschuldigten Mitarbeitern und von mindestens 121 betroffenen Kindern und Jugendlichen zunächst nicht zu veröffentlichen. Auch jetzt sind teilweise Namen und Passagen geschwärzt. Unter anderem sollten zuvor Fragen des Persönlichkeits- und Datenschutzes geklärt werden, hieß es. Die meisten Vergehen fanden demnach in den 50er und 60er Jahren statt. In 49 Fällen handelte es sich um sexuellen Missbrauch von Minderjährigen.

Der Berliner Rechtsanwalt Peter-Andreas Brand hatte im Januar bereits zahlreiche Unklarheiten über Verantwortlichkeiten und keine klare Kompetenzverteilung bemängelt. Dies habe zu einer „systematischen Verantwortungslosigkeit“ geführt.

Mit der Veröffentlichung des vollständigen Gutachtens auf der Homepage des Erzbistums werde endlich einer Forderung des Diözesanrates entsprochen, teilte ein Sprecher des Erzbistums mit. Dieser forderte am Freitag, dass ein Maßnahmenplan nach der Sommerpause schnellstmöglich umgesetzt werden solle.

Das Gutachten stelle nicht den Abschluss der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum dar, sagte der Sprecher weiter. Neben einer Kommission beschäftigen sich dort eine Interventionsbeauftragte und eine weitere Ansprechperson mit Fällen sexuellen Missbrauchs. Zudem kooperiert das katholische Erzbistum bei Beratungen zu sexualisierter Gewalt mit dem Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk. Am Dienstag will sich Erzbischof Koch in einem im Internet gestreamten Hearing der Diskussion stellen. Das Erzbistum Berlin mit rund 400.000 Katholiken umfasst neben der Bundeshauptstadt weite Teile Brandenburgs und Vorpommerns.