Experte: Menschen mit Demenz brauchen solidarische Gesellschaft

Experte: Menschen mit Demenz brauchen solidarische Gesellschaft
28.05.2021
epd
epd-Gespräch: Christine Süß-Demuth

Freiburg (epd). Der Freiburger Sozialexperte Thomas Klie macht sich für ein menschenwürdiges Umfeld für Menschen mit Demenz stark. Weil es „keine Pille gegen Demenz“ gebe, sollte es wenigstens ein gutes Leben mit der Krankheit geben können, sagte der Jurist und Gerontologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu brauche es eine empathische und solidarische Gesellschaft. Etwa 1,7 Millionen Menschen leben in Deutschland mit Demenz.

Wie Demenzpatienten letztlich leben sollen - dazu brauche es einen breiten gesellschaftlichen Diskurs, mahnte Klie, der kürzlich das Buch „Recht auf Demenz“ (Hirzel Verlag, Stuttgart) veröffentlicht hat. Er hat dabei zwei Szenarien vor Augen: Entweder entwickle sich die Gesellschaft zu einer „wärmenden“ und einer sich kümmernden Gemeinschaft, einer Caring Community, oder zu einer „radikalisierten Leistungsgesellschaft“, bei der die wirtschaftlichen Faktoren wichtiger seien als die Moral.

Klie hofft, dass das erste Szenario Realität wird, denn: „Die Würde des Menschen ist nicht an seine Leistungsfähigkeit gebunden“, betonte der Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft an der Evangelischen Hochschule Freiburg mit Blick auf das Grundgesetz. Daher habe jeder Anspruch darauf, als Teil der Gesellschaft gut versorgt zu sein.

Zugleich warnte Klie davor, Demenzkranke zu bevormunden. Denn es gebe ein Spannungsverhältnis zwischen Fürsorge und Selbstbestimmtheit. Wenn Schutzbedürftigkeit das maßgebliche Kriterium werde, richte sich das letztlich gegen die Betroffenen, merkte Klie an. Die coronabedingten Kontaktbeschränkungen in Pflegeheimen etwa seien ein absolut schmerzhafter und aus seiner Sicht rechtswidriger Eingriff in die Grundrechte von Seniorinnen und Senioren gewesen.