Kabinett billigt Milliarden-"Aufholpaket" für Kinder und Jugendliche

Kabinett billigt Milliarden-"Aufholpaket" für Kinder und Jugendliche
Menschen, die in Deutschland benachteiligt sind, drohen durch die Corona-Krise auf der Strecke zu bleiben. Ein Aufholpaket soll zumindest Kindern und Jugendlichen Nachhilfe, Sport und Ferien ermöglichen.

Berlin (epd). Mit zwei Milliarden Euro will die Bundesregierung die sozialen Folgen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche lindern. Das Kabinett brachte am Mittwoch in Berlin ein „Aufholpaket“ auf den Weg, über das in diesem und im nächsten Jahr beispielsweise Nachhilfestunden finanziert werden sollen, aber auch die Mitgliedschaft in Sportvereinen, Musikunterricht oder die Teilnahme an Feriencamps. Ab 2026 soll darüber hinaus ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder eingeführt werden.

Das Hilfsprogramm hat nach Angaben von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) vier Säulen: Um Lernrückstände zu mindern, soll demnach bis Ende 2022 eine Milliarde Euro über die Umsatzsteuerverteilung bereitgestellt werden. Außerdem soll die Zahl der sogenannten Sprach-Kitas um 1.000 auf bundesweit über 7.000 steigen. Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche sowie Erholungsurlaube für Familien in gemeinnützigen Familienferienstätten werden den Plänen nach ebenfalls gefördert. Darüber hinaus soll die Schulsozialarbeit verstärkt werden.

Giffey betonte, es gehe darum, „Kinder, Jugendliche und ihre Familien nach den harten Lockdown-Zeiten auf dem Weg zurück in einen geregelten Alltag“ zu unterstützen. Karliczek sprach von einem „wichtigen Signal vor dem Ende des Schuljahres“ und rief die Länder auf, sich substanziell zu beteiligen, „denn Bildung ist zuallererst Ländersache“.

Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU) erklärte, wichtig sei sicherzustellen, dass auch Kinder und Jugendliche mit Einwanderungs- und Fluchtgeschichte erreicht würden, die einen Anteil von annähernd 40 Prozent der unter 15-jährigen ausmachten. Deren Familien seien von den Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders betroffen: „Viele arbeiten in Berufen, in denen Homeoffice nicht möglich ist, etwa in der Pflege oder im Einzelhandel, und die stärker von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen sind, wie das Gastgewerbe.“

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert das „Aufholpaket“ als unzureichend. „Natürlich hört sich ein Zwei-Milliarden-Programm erst einmal gut an, aber im Endeffekt werden damit weniger als 150 Euro pro Kind in die Hand genommen“, erklärte Präsident Thomas Krüger in Berlin. Das werde bei Weitem nicht ausreichen, um auch nur annähernd die Bedarfe der Kinder zur Bewältigung der Pandemie zu decken. „Dafür sind die Befunde der Studien über die Auswirkungen der Pandemie auf die physische und psychische Verfassung unserer Kinder zu gravierend.“

Die Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, sprach von einem „längst überfälligen Signal an hoch belastete Familien“. Sie erklärte zugleich, das Aufholprogramm dürfe kein einmaliges „Wahlgeschenk“ sein. Notwendig seien Programme, die Familien, Kinder und Jugendliche unmittelbar und nachhaltig förderten. Die Mittel müssten möglichst direkt bei den Betroffenen und sozialen Strukturen ankommen.

Auf den parlamentarischen Weg gebracht wurde ferner ein Entwurf zur Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Ab August 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Schulklasse einen Anspruch darauf haben und in den Jahren darauf jeweils eine Schulklasse mehr. Ab August 2029 könnten damit alle Grundschulkinder der Klassen eins bis vier einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung von acht Stunden an allen fünf Werktagen haben.

Darüber hinaus soll der Anspruch auch in den Ferien gelten - abgesehen von maximal vier Wochen. Der Ausbau der Ganztagsbetreuung wird vom Bund mit bis zu 3,5 Milliarden Euro finanziert. Laut Giffey müssen rund 800.000 Plätze zusätzlich geschaffen werden. An den laufenden Kosten will sich der Bund ebenfalls beteiligen. Die Gesetzentwürfe müssen noch durch Bundestag und Bundesrat.