Tatverdächtiger im Fall der "NSU 2.0"-Drohschreiben verhaftet

Tatverdächtiger im Fall der "NSU 2.0"-Drohschreiben verhaftet
Ein 53-Jähriger aus Berlin soll hinter den Schreiben mit Todesdrohungen stecken, die mit "NSU 2.0" gezeichnet waren. Hessens Innenminister Beuth sieht die Polizei in seinem Bundesland entlastet. BKA-Präsident Münch räumt noch Klärungsbedarf ein.

Wiesbaden (epd). Im Fall der mit „NSU 2.0“ gezeichneten Drohschreiben meldet die Polizei einen Ermittlungserfolg. In Berlin wurde ein 53-jähriger Mann unter dem dringenden Verdacht verhaftet, seit 2018 die Faxe und Mails mit Todesdrohungen und rechtsextremistischen Schmähungen verschickt zu haben, wie das Hessische Landeskriminalamt (LKA) und die Frankfurter Staatsanwaltschaft in der Nacht zum Dienstag bekanntgaben.

Adressaten der Schreiben waren neben anderen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die Linken-Politikerin Janine Wissler und die Berliner Kabarettistin Idil Baydar. Persönliche Informationen über die drei Frauen waren zuvor von Polizeicomputern in Frankfurt am Main und Wiesbaden abgerufen worden. Der am Montag in Berlin festgenommene Verdächtige sei aber zu keinem Zeitpunkt Bediensteter einer hessischen oder sonstigen Polizeibehörde gewesen, hieß es. Es handele sich um einen Erwerbslosen deutscher Staatsangehörigkeit, der bereits in der Vergangenheit wegen zahlreicher Straftaten rechtskräftig verurteilt worden war, darunter auch rechtsmotivierte.

Das LKA Hessen habe am Montag seine Wohnung durchsucht und den Mann aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt festgenommen. Der Zugriff erfolgte nach den Worten des hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU) am Montagabend durch Spezialkräfte seines Bundeslands. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, seit August 2018 die mit „NSU 2.0“ gezeichneten Schreiben mit volksverhetzenden, beleidigenden und drohenden Inhalten überwiegend an Personen des öffentlichen Lebens verschickt zu haben, darunter auch Bundestagsabgeordnete. Nach dem Urheber der Mails und Faxe war seit fast zwei Jahren intensiv gesucht worden. Trotz der Einsetzung eines Sonderermittlers war ihm die Polizei aber lange nicht auf die Spur gekommen, da er sich Verschleierungstechniken auch mit Hilfe des Darknets bedient haben soll.

„Sehr aufwendige und zeitintensive gemeinsame Ermittlungsmaßnahmen“ der Staatsanwaltschaft und des hessischen Landeskriminalamtes haben den Angaben zufolge zur Identifizierung des Beschuldigten geführt. Die Auswertung der bei der Durchsuchung sichergestellten Datenträger sowie die weiteren Ermittlungen dauerten an. Sie würden unter anderem auch wegen des Verdachts der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Bedrohung sowie der Beleidigung geführt.

Beuth erklärte in Wiesbaden: „Sollte sich der dringende Tatverdacht gegen den 53-jährigen Berliner bestätigen, ist das ein ganz herausragender Ermittlungserfolg der hessischen Strafverfolgungsbehörden.“ Das Team um den polizeilichen Sonderermittler Hanspeter Mener habe zehn Monate lang nichts unversucht gelassen, um den mutmaßlichen Täter aus der Anonymität des Darknets zu reißen.

Wenn sich der Verdacht bewahrheite, könnten Dutzende unschuldige Opfer sowie die gesamte hessische Polizei aufatmen, fügte Beuth hinzu. Die Drohschreiben hatten einen schweren Verdacht auf die Polizei gelenkt. Aber „nach allem was wir heute wissen, war nie ein hessischer Polizist für die 'NSU 2.0'-Drohmailserie verantwortlich“, erklärte der Minister. Die Ermittlungen würden mit der gleichen Beharrlichkeit und Akribie, die jetzt zum Erfolg geführt hätten, fortgesetzt.

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, räumte indes ein, dass noch nicht vollständig geklärt sei, wie der mutmaßliche Täter an die Daten der späteren Empfänger von Drohschreiben kommen konnte und ob Polizisten involviert waren. Es sei richtig, dass es in zeitlich engem Zusammenhang entsprechende Datenabfragen bei der Polizei gegeben habe. Es habe aber auch frühe Hinweise gegeben, wonach sich der Täter gegenüber den Beamten als Amtsträger ausgegeben habe, um an die Daten zu kommen. Es müsse noch abgewartet werden, was die Analyse der bei der Durchsuchung aufgefundenen Datenträger ergebe, sagte Münch.