Gericht: Göttingen muss Nigerianerin volle Leistungen gewähren

Gericht: Göttingen muss Nigerianerin volle Leistungen gewähren

Göttingen, Celle (epd). Die Stadt Göttingen muss einer aus Nigeria geflüchteten Frau, die in einer extremen materiellen Notlage nach Deutschland gekommen ist, die vollen Sozialleistungen gewähren. Das entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem am Montag veröffentlichten Urteil und gab damit der Klage der alleinerziehenden Mutter statt. (Az. L 8 AY 33/16).

Die Nigerianerin war über Italien in die Bundesrepublik eingereist. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, eine Abschiebung scheiterte durch die Gewährung von Kirchenasyl. Nachdem die Frau einen Duldungsstatus erlangt hatte, beantragte sie bei der Stadt Göttingen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Kommune bewilligte lediglich eingeschränkte Leistungen, weil die Frau aufenthaltsbeendende Maßnahmen behindert habe und wegen des Leistungsbezugs eingereist sei.

Dagegen begründete die Klägerin die Motivation für die Einreise nach Deutschland mit den prekären Verhältnissen in Italien. Sie sei dort ohne festen Wohnsitz gewesen. Für ihren Lebensunterhalt habe sie betteln und sich prostituieren müssen. Nach Deutschland sei sie nicht wegen der Asylbewerberleistungen gekommen, sondern aus Angst um Leib und Leben. Sie habe auf Hilfe gehofft.

Nach dem Gerichtsurteil dürfen Sozialleistungen nur gekürzt werden, wenn der Leistungsbezug das prägende Motiv für die Einreise ist. Wenn die Einreise aufgrund einer unabweisbaren materiellen Notlage erfolge, könnten staatliche Leistungen zwar ein Motiv sein. Dies müsse jedoch nicht immer derart prägend sein, dass daraus eine Leistungseinschränkung folge. Ein solcher Fall sei anzunehmen bei einer extremen materiellen Notlage, die der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichkomme.

Migrationspolitische Interessen müssten auch im Falle einer illegalen Einreise hinter der staatlichen Leistungspflicht zurückstehen, wenn ein Flüchtling in einem europäischen Mitgliedsstaat völlig auf sich allein gestellt sei und für längere Zeit auf der Straße leben müsse, hieß es.