Debatte um Erleichterungen für Geimpfte

Debatte um Erleichterungen für Geimpfte
Ethikrats-Vorsitzende warnt vor gesellschaftlicher Spaltung

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Teaser: Welche Erleichterungen soll es für Geimpfte geben? Die Politik versucht einen Spagat zwischen Freiheitsrechten für Menschen mit vollständiger Corona-Impfung und Solidarität mit noch nicht Geimpften.

Düsseldorf/Frankfurt a.M. (epd). Für immer mehr Geimpfte und von Covid-19 Genesene in Deutschland gelten Lockerungen von den Corona-Schutzmaßnahmen. Von Montag an werden diese Gruppen wie schon in anderen Bundesländern auch in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland mit negativ Getesteten gleichgestellt. Seit Donnerstag liegt auch ein Entwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) vor. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, begrüßt die Regierungspläne, warnt aber zugleich vor einer Spaltung der Gesellschaft.

Vollständig Geimpfte und Genesene in Nordrhein-Westfalen brauchen ab Montag keinen negativen Test mehr für Einkäufe in Geschäften oder den Friseurbesuch, wie die Landesregierung am Samstag in Düsseldorf ankündigte. Auch die Testpflicht in Schulen und eine Quarantäne bei der Einreise fallen dann weg. Entsprechende Erleichterungen gelten für diese Gruppen dann auch im Saarland. Auch in weiteren Bundesländern wie Hessen, Bayern, Berlin oder Baden-Württemberg sind vollständig Geimpfte generell Menschen mit negativem Test gleichgestellt.

Justizministerin Lambrecht strebt zusätzlich zu Erleichterungen beim Einkauf oder Friseurbesuch an, für Geimpfte auch keine Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen mehr zu verhängen. Dies ist allerdings umstritten, weil ein Großteil der Bevölkerung noch keine Möglichkeit hatte, sich impfen zu lassen. Die Ethikrats-Vorsitzende Buyx sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag) zu der geplanten bundesweiten Lockerungs-Verordnung, die Pläne stünden „in verschiedener Hinsicht im Einklang mit den Überlegungen des Deutschen Ethikrates“.

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warnte im WDR vor Alleingängen einzelner Landesregierungen: „Das ist zermürbend - die Menschen wollen einheitliche Regeln“, sagte er. In der kommenden Woche wolle man im Bund die Rückgabe von Rechten an Geimpfte diskutiere. Er erwarte dann eine „gute Lösung, die durch Wissenschaftler und den gesamten politischen Sachverstand der Länder vorgetragen wird“, fügte Lauterbach hinzu. „Ich verstehe nicht, warum so knapp, bevor wir das tun, erneut eine Einzellösung probiert wird.“

Die scheidende Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, rief Geimpfte zu Solidarität mit Nicht-Geimpften auf. „Als ehemalige Politikerin sage ich mit Blick auf Recht, Gesetz und Verfassung: Freiheiten sind nicht zurückzugeben, sondern Einschränkungen müssen entfallen, sobald die Voraussetzungen dafür entfallen“, sagte Schwaetzer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sei aber nur die eine Seite. „Die andere Seite ist: Diejenigen, die durch die Solidarität der Jüngeren der Bedrohung durch das Virus entgangen sind, müssen jetzt ihre Solidarität zeigen.“

Der Verfassungsrechtler Steffen Augsberg forderte eine umfassende Aufhebung der Freiheitsbeschränkungen für Geimpfte und Genesene. „Verfassungsrechtlich ist klar: Wir dürfen Freiheiten nicht grundlos einschränken“, sagte Augsberg, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, dem epd. Gegen Corona Geimpfte und Covid-19-Genesene seien kaum noch infektiös. „Bei Personen mit nahezu null Risiko gibt es auch nahezu null Einschränkungsmöglichkeit“, sagte Augsberg. Grundrechte müssten ihnen „unmittelbar und in ihrer vollen Wirksamkeit“ gewährleistet werden.