Soziologe Pilz: Fußball ist Brennglas für wachsenden Antisemitismus

Soziologe Pilz: Fußball ist Brennglas für wachsenden Antisemitismus
31.03.2021
epd
epd-Gespräch: Konstantin Klenke

Hannover (epd). Der hannoversche Sportsoziologe Gunter Pilz hat politische Entscheidungsträger aufgefordert, den Kampf gegen Antisemitismus im Fußball stärker zu fördern. Dies könne nicht allein den Vereinen überlassen werden, sagte Pilz im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Judenfeindliche Vorfälle im Fußball seien "leider keine Einzelfälle". Die Politik müsse Vereine bei der Antisemitismus-Bekämpfung stärker mit finanziellen Mitteln und Weiterbildungsmöglichkeiten unterstützen. Heutzutage falle es vielen Vereinen bereits schwer, ihren normalen Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Pilz hat in den vergangenen Jahren zu Gewalt, Antisemitismus und Rechtsextremismus im Sport geforscht.

Der Fußball diene als "Brennglas" für wachsenden Antisemitismus in der Gesellschaft, sagte Pilz. Der Soziologe war auch Mitglied im Projektbeirat zu Handlungsempfehlungen gegen Antisemitismus im Fußball, die der Jüdische Weltkongress und die Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten am Mittwoch in Hannover präsentieren wollten. "Weil die Gesellschaft den Fußball immer wieder mit Fairness, Respekt und Anerkennung verbindet, fallen Vorfälle, die dagegen verstoßen, umso stärker auf", sagte Pilz. Als Ursachen für zunehmende Judenfeindlichkeit nannte er wachsende Armut und Unzufriedenheit. Beides begünstige das Aufkommen von Verschwörungsmythen und Feindbildern sowie den Ruf nach starken Figuren, auch im Sport.

Der emeritierte Professor für Sportwissenschaft an der Leibniz Universität Hannover forderte zudem Sportverbände auf, entschiedener Stellung gegen Antisemitismus zu beziehen und mehr Fortbildungen zur Prävention anzubieten. Grundsätzlich sei etwa der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dabei "auf einem sehr guten Weg", sagte Pilz. Neben Fachaustausch und Schulungen biete der DFB zahlreiche Anlaufstellen, um antisemitische Vorfälle zu melden. Dass dagegen das Internationale Olympische Komitee Sportlern immer noch politische Aussagen bei Wettkämpfen verbiete und damit auch Stellungnahmen gegen Antisemitismus, nannte Pilz "überhaupt nicht nachvollziehbar".

Auch Ehrenamtliche in Amateurvereinen sieht Pilz bei der Antisemitismus-Bekämpfung in der Pflicht. Sie müssten Fortbildungen zur Antisemitismus-Prävention besuchen. "Das überfordert keinen, sondern trägt zur Sensibilisierung bei", sagte Pilz." Vor allem müssten Vereine antisemitische Vorfälle auf oder neben dem Fußballplatz sanktionieren und bei Bedarf professionelle Unterstützung einholen. "Wenn sich Spieler und Vereine aktiv gegen Antisemitismus positionieren wollen, muss dieses Engagement aber von Herzen kommen", betonte er.