Schulze: Atomkraft ist keine Lösung für den Klimaschutz

Schulze: Atomkraft ist keine Lösung für den Klimaschutz
Microsoft-Gründer Bill Gates und andere werben für eine Rückkehr zur Atomenergie als klimafreundliche Energiequelle. Umweltministerin Schulze sieht vor allem die Gefahren.

Berlin (epd). Der Bau neuer Kernkraftwerke ist nach Worten von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Kampf gegen die Erderwärmung der falsche Weg. Sie kritisierte am Donnerstag in Berlin, dass die "Debatte um die vermeintlich bequeme Scheinlösung" von dem ablenke, was notwendig sei: den massiven Ausbau von Wind- und Sonnenstrom. Wer die Gesamtrechnung aufmache, Folgekosten und Risiken einbeziehe, sehe, dass Kernenergie die teuerste Option sei. Schulze wies darauf hin, dass in Deutschland drei Generationen Atomenergie genutzt hätten und 30.000 Generationen sich um den Müll kümmern müssten.

Technisch seien die diskutierten Konzepte für kleine Kernkraftwerke zudem "alter Wein in neuen Schläuchen". Die Ansätze für Mini-Reaktoren seien vor Jahrzehnten entwickelt worden, hätten sich aber wegen gravierender ungelöster Probleme nicht durchgesetzt. Im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) bezeichnete sie kleine Reaktoren, die "Atommüll fressen und ungefährlich sein sollen", als "Märchen". US-Präsident Joe Biden hatte kurz nach seinem Amtsantritt angekündigt, die Chancen für sogenannte Small Modular Reactors ausloten zu lassen, in die etwa Microsoft-Gründer Bill Gates schon Milliarden investiert.

Anlässlich des zehnten Jahrestags der Tsunami- und Atomkatastrophe im japanischen Fukushima stellte die Ministerin ein Zwölf-Punkte-Papier vor: für ein Ende der Atomkraft in Deutschland, in Europa und weltweit. Eine der Forderungen ist die Schließung der Atomfabriken in Gronau und Lingen. Schulze sieht dies als Aufgabe der nächsten Bundesregierung an. Wenn Ende 2022 die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gingen, sei der Atomausstieg noch nicht vollendet, betonte sie. Denn dieser sei "nicht mit der Produktion von Brennstoff und Brennelementen für Atomanlagen im Ausland vereinbar".

Eine Regelung zum Schließen der Urananreicherungsanlage in nordrhein-westfälischen Gronau und Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen sei beim Ausstiegsbeschluss versäumt worden. Dies müsse nachgeholt werden. Allerdings habe ein solcher Vorstoß ihres Ministeriums nicht die nötige Unterstützung in der Regierung gehabt. Deshalb müsse das nach der Bundestagswahl angegangen werden. Dabei sei die Entschädigung der Betreiber der einzige Weg. Ein Exportverbot sei rechtssicher nicht machbar. Die Höhe einer möglichen Entschädigung konnte Schulze nicht beziffern, da es dazu zunächst Gespräche mit den Betreibern geben müsse.

Der wissenschaftlicher Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam, Ortwin Renn, verteidigte ebenfalls den deutschen Atomausstieg. Renn war Teil der Ethikkommission, die die Regierung beraten hat. Er sagte dem "Tagesspiegel" (Donnerstag), dass die modernen Kraftwerke zwar auf einem sehr hohen technischen Sicherheitsstandard seien und die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Super-GAU komme, sehr gering sei. Komme es aber dazu, seien die Folgen in dicht besiedelten Ländern wie Deutschland unübersehbar. Für weitere Risiken wie der Endlagerung des radioaktiven Abfalls gebe es zudem noch immer keine überzeugende Lösung.

Mehr als 50 Umwelt- sowie Friedens-, Jugend- und Anti-AKW-Organisationen forderten indes in einem gemeinsamen Papier den konsequenten Ausstieg aus der Atomkraft weltweit. Die mit dem Friedensnobelpreis prämierte Ärzteorganisation IPPNW erklärte, zivile und militärische Atomprogramme seien eng verknüpft: Atomwaffenprogramme würden heute ohne die zivile Nutzung der Atomenergie nicht finanzierbar sein.

Die Katastrophe in Japan begann am 11. März 2011 mit einem Seebeben und einem Tsunami. In drei Blöcken des AKW Fukushima Daiichi kam es zur Kernschmelze und somit zum Super-Gau. Radioaktive Wolken zogen von Fukushima über Japan und den Pazifik. Rund um das Kraftwerk gibt es bis heute eine 300 Quadratkilometer große Sperrzone.