Wirtschaftsinformatiker: Homeoffice schafft Arbeitnehmer ab

Wirtschaftsinformatiker: Homeoffice schafft Arbeitnehmer ab

Frankfurt a.M. (epd). Die Verbreitung des Homeoffice wird nach den Worten des Frankfurter Wirtschaftsinformatikers Swen Schneider zur Auflösung fester Arbeitsverhältnisse führen. Das durch die Corona-Pandemie in vielen Branchen herbeigeführte Homeoffice erscheine bisher als Erfolgsmodell, sagte der Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Arbeitgeber freuten sich über Einsparungen, Arbeitnehmer schätzten das selbstständige Arbeiten. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt führe aber dazu, dass Unternehmen stärker in Projektstrukturen arbeiten und kleine Aufträge an unabhängige Selbstständige oder geringfügig Beschäftigte vergeben.

Bisher würden Arbeitnehmer in festen Arbeitsverhältnissen nach Zeit bezahlt, erläuterte der Wirtschaftsinformatiker. Im Homeoffice aber sei die Messung der Arbeitszeit schwierig, an ihre Stelle trete die Steuerung über Zielvereinbarungen und definierte Arbeitspakete. "Wenn man als Arbeitgeber immer mehr in Projekten und Arbeitspaketen denkt, um die Menschen im Homeoffice zu lenken, wird man merken, dass es nicht zwangsläufig fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht", sagte Schneider. Die Arbeiten könnten auch von Freien ausgeführt werden. Auch in Ländern, wo Arbeitskraft deutlich billiger sei als in Deutschland.

Diese Entwicklung der Arbeitsverhältnisse gebe es schon lange, erläuterte der Professor. Überall dort, wo es viele freie Mitarbeiter gebe, sei sie fortgeschritten, etwa bei Marketing-Agenturen, der IT-Branche, Journalisten, Rechtsanwaltskanzleien, Architekten. Die Digitalisierung beschleunige den Wandel, und die Corona-Pandemie verleihe ihm Schub.

Unternehmen betrieben dadurch eine "Risikoverschiebung". Das Risiko der sozialen Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter trage in der Selbstständigkeit allein der Arbeitnehmer, erklärte der Wirtschaftsinformatiker. Der gesetzliche Arbeitnehmerschutz schließe freie Mitarbeiter nicht ein. Am Ende sei der Schritt zur "Gig Economy" nicht mehr weit: Statt der Vergabe an freie Mitarbeiter oder Outsourcing-Dienstleister, zu denen man eine längerfristige Beziehung pflegt, würden die Arbeitspakete dann weltweit auf elektronischen Marktplätzen, sogenannten Crowdworking-Plattformen, versteigert. Mit der Ausweitung des Homeoffice als Arbeitsmodell "schaffen sich die Arbeitnehmenden, die sich jetzt noch über die gewonnenen Freiheiten im Homeoffice freuen, letztlich selbst ab", sagte Schneider.