Historischer Durchbruch für Lieferkettengesetz

Historischer Durchbruch für Lieferkettengesetz
Hubertus Heil: Gesetz wird vielen Menschen mehr Rechte geben
Bis zuletzt wurde darum gerungen, wie deutsche Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte bei ihren Zulieferern im Ausland verpflichtet werden können. Nun feiern drei Ministerien einen Kompromiss: Das Lieferkettengesetz kommt, sagen sie.

Berlin (epd). Nach monatelangem Streit hat die Koalition sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach am Freitag von einem historischen Durchbruch für die Menschenrechte. Das geplante Gesetz werde das bisher stärkste in Europa sein. Es stärke auch Unternehmen, die schon heute auf Standards in ihrer Lieferkette achten. "Es wird vielen Menschen mehr Rechte geben", zeigte sich Heil überzeugt, der die Federführung für den Gesetzentwurf übernimmt. Er soll Mitte März ins Kabinett und noch vor der Wahl im September in den Bundestag kommen.

Das Lieferkettengesetz soll große deutsche Firmen in die Pflicht nehmen, auch bei ihren ausländischen Zulieferern auf die Einhaltung von Menschenrechten und auf Umweltschutz zu achten. "Freiwilligkeit allein reicht nicht aus", sagte Minister Heil.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem "vernünftigen Kompromiss" für ein ausgewogenes und ausbalanciertes Gesetz. Die Ministerien hätten bis gestern darum gerungen. Sein Ziel sei gewesen, dass der bürokratische Aufwand und die Belastungen für Firmen vor allem in der Corona-Pandemie begrenzt und der Mittelstand ausgenommen werde. Deshalb hätten die Unternehmen Zeit, da die Regelungen erst ab 2023 gelten sollten. Die deutsche Wirtschaft sollte am Ende nicht schwächer, sondern stärker dastehen. Aber bei "schwarzen Schafen" sollten die neuen Regelungen greifen.

Das geplante Gesetz soll Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften ermöglichen, bei Menschenrechtsverletzungen im Ausland vor deutschen Gerichten zu klagen. Eine staatliche Kontrollbehörde muss "mit einem robusten Mandat" gemeldeten Sorgfaltsverletzungen von Unternehmen vor Ort nachgehen. Zwangs- und Bußgelder sind möglich. Bei Verstößen sollen Unternehmen bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgenommen werden. "Das Lieferkettengesetz ist ein Gesetz mit Zähnen", sagte Heil.

Das Gesetz soll ab 2023 für große Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten gelten, das sind den Angaben zufolge etwa 600 Betriebe. Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten folgen ab 2024, das sind knapp 3.000. Laut Altmaier soll die Sorgfaltspflicht vor allem für unmittelbare Zulieferer gelten. Falls ein Unternehmen aber auch von Verstößen bei einem mittelbaren Zulieferer erfährt, soll es verpflichtet sein, dies abzustellen.

Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zeigte sich erleichtert über den Kompromiss: "Das Lieferkettengesetz kommt." Es sei ein Signal für eine gerechte Globalisierung. Made in Germany stehe in Zukunft auch für globale Verantwortung und für faire Produktion, sagte er. Es komme darauf an, dass sich zum Beispiel für Frauen, die auf Teeplantagen in Indien arbeiten, etwas zum Positiven verändere.

In der Regierung hatte das Thema monatelang für Streit gesorgt. Während das Arbeitsministerium gemeinsam mit dem Entwicklungsministerium schon im Sommer vergangenen Jahres Eckpunkte erarbeitet hatte, stellte sich das Wirtschaftsministerium lange quer.

Das Regelwerk geht zurück auf die UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten von 2011. Daraufhin hat Deutschland 2016 den "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte" (NAP) beschlossen, der auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD bekräftigt wird. Dieser sah vor: Wenn sich bis 2020 herausstellt, dass weniger als die Hälfte der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, sollen "weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen" geprüft werden. Es stellte sich heraus, dass noch nicht einmal ein Fünftel der rund 7.400 Unternehmen die Anforderungen hinreichend erfüllt.

epd mey/co/et fu