Protestanten diskutieren über mögliche Suizidassistenz

Protestanten diskutieren über mögliche Suizidassistenz
Immer mehr Stimmen werden laut, die dem Vorstoß einiger evangelischer Theologen widersprechen, Suizidassistenz solle in kirchlichen Einrichtungen kein Tabu mehr sein. Der CDU-Politiker Thomas Rachel spricht von einem "fatalen Irrweg".

Berlin (epd). Der Vorstoß evangelischer Theologen, assistierten Suizid in kirchlichen Einrichtungen zu ermöglichen, trifft zunehmend auf Ablehnung. Der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Thomas Rachel, warnte vor dieser Möglichkeit. Hilfe zum Sterben in Form von Assistenz zur Selbsttötung sei keine adäquate Option kirchlich-diakonischen Handelns, sagte er am Donnerstag in Berlin. "Solches wäre ein fataler Irrweg." Der evangelische Theologe Dieter Kaufmann sagte dem epd, auch er könne sich dem Vorschlag nicht anschließen. Kaufmann und Rachel sind beide Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Hochrangige evangelische Theologen - darunter auch der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie - hatten sich am Montag in einer Stellungnahme für die Möglichkeit von Sterbehilfe in kirchlich-diakonischen Einrichtungen ausgesprochen. Offiziell wird in der evangelischen sowie in der katholischen Kirche die Möglichkeit zur Suizidassistenz abgelehnt. Vor allem innerhalb der evangelischen Kirche hatte der Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine Debatte ausgelöst.

Rachel betonte, das Leitbild evangelischer Sterbebegleitung müsse auch weiterhin ausschließlich in der bestmöglichen palliativmedizinischen und hospizlichen Für- und Seelsorge am Sterbebett bestehen. "Suizidales Handeln ist immer ein zutiefst zu bedauerndes, tragisches Scheitern und allein schon deshalb ein ethisch wie politisch letztlich nicht vollständig regulierbarer Grenzfall menschlicher Existenz." Aus einer solchen Grenzsituation dürfe niemals ein Regelfall oder eine Art Regelleistung medizinischer Grundversorgung werden, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete.

Auslöser für die Debatte über Sterbehilfe ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Februar. Die Verfassungsrichter hatten den Klagen von Sterbehilfeorganisationen, Ärzten und Einzelpersonen Recht gegeben, die sich gegen das 2015 verabschiedete Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung richteten. Die Karlsruher Richter erklärten das entsprechende Gesetz für nichtig und begründeten das mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube.

Rachel betonte, aus dem Kippen der mit guten Gründen vom Gesetzgeber beschlossenen Strafnorm durch das Bundesverfassungsgericht erfolge nun noch lange nicht die Notwendigkeit, die eigenen, bewährten theologisch-ethischen Normen des kirchlichen und diakonischen Handelns zu relativieren.

Kaufmann, der im vergangenen Jahr als Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Württemberg in den Ruhestand gegangen ist, sagte: "Als Kirche sehen wir im Selbstbestimmungsrecht ein hohes Gut." Unterstützung für Menschen in der Sterbephase könnten etwa palliative Sedierung, Sterbefasten und andere palliative Begleitung sein. "Aber assistierter Suizid ist kein Weg, den wir in unseren kirchlich-diakonischen Einrichtungen unterstützen können", betonte er.

Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhoff schrieb am Donnerstag in einem Gastbeitrag in der FAZ, die Selbstbeendigung des Lebens dürfe nicht Normalität werden. Der Mensch brauche es nicht als Last zu empfinden, von anderen Hilfe zu erhalten. "Das geltende Recht verpflichtet den Staat, das Leben jedes Menschen zu schützen", so Kirchoff. Diese Verpflichtung gelte auch zum Schutz des Menschen gegen sich selbst.