Unworte 2020: "Rückführungspatenschaften" und "Corona-Diktatur"

Unworte 2020: "Rückführungspatenschaften" und "Corona-Diktatur"

Darmstadt (epd). "Rückführungspatenschaften" und "Corona-Diktatur" sind die Unworte des Jahres 2020. Mit der erstmaligen Wahl von zwei Begriffen reagiere die Jury der sprachkritischen Unwort-Aktion darauf, dass die Corona-Pandemie den öffentlichen Diskurs und auch die Einsendungen des gesamten Jahres dominiert habe, sagte die Jury-Sprecherin Nina Janich am Dienstag in Darmstadt. Zugleich solle darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch zu anderen Themen weiterhin inhumane und unangemessene Wörter geprägt und verwendet würden.

Mit "Rückführungspatenschaften" (41x vorgeschlagen) sei im September 2020 von der EU-Kommission ein neuer Mechanismus der Migrationspolitik bezeichnet, worden, erläuterte die Jury. Die EU-Staaten, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, sollten ihrer "Solidarität" mit den anderen Mitgliedern der EU dadurch gerecht werden, dass sie die Verantwortung für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber übernehmen. Dies als "Rückführungspatenschaften" zu bezeichnen, sei "zynisch und beschönigend", kritisierte die Jury. In der Zusammensetzung mit dem ebenfalls beschönigend für "Abschiebung" gebrauchten Wort "Rückführung" werde suggeriert, "dass Abschieben eine gute menschliche Tat" sei.

Das Wort "Corona-Diktatur", das 21 Mal vorgeschlagen worden sei, werde seit Beginn des öffentlichen Diskurses um den politischen Umgang mit der Pandemie von der selbst ernannten "Querdenker"-Bewegung und vor allem von deren rechtsextremen Propagandisten gebraucht, um regierungspolitische Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu diskreditieren. Dass der Ausdruck auf Demonstrationen verwendet werde, die - anders als in autoritären Systemen - ausdrücklich erlaubt seien, stelle schon in sich einen Widerspruch dar. Zudem verharmlose der Ausdruck tatsächliche Diktaturen und verhöhne die Menschen, die sich dort gegen die Diktatoren auflehnten.

Die Unwort-des-Jahres-Aktion war 1991 von dem Frankfurter Germanistikprofessor Horst Dieter Schlosser initiiert worden. Unwörter waren zuletzt "Klimahysterie" (2019), "Anti-Abschiebe-Industrie" (2018), "alternative Fakten" (2017), "Volksverräter" (2016), "Gutmensch" (2015) und "Lügenpresse" (2014). Ende November hatte die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden "Corona-Pandemie" zum "Wort des Jahres" gekürt.