Menschenrechtler: Corona trifft Indigene besonders stark

Menschenrechtler: Corona trifft Indigene besonders stark

Göttingen (epd). Indigene Völker waren nach Angaben von Menschenrechtlern in diesem Jahr weltweit deutlich stärker von der Corona-Pandemie betroffen als die Gesamtbevölkerung in den jeweiligen Ländern. "Die ständigen Herausforderungen indigener Völker, wie relative Armut, mangelnde politische Repräsentation und ein erschwerter Zugang zur Gesundheitsversorgung, haben sich in der Pandemie als besonders fatal erwiesen", sagte Yvonne Bangert von der Gesellschaft für bedrohte Völker am Dienstag in Göttingen. In vielen Ländern sei die Corona-Sterblichkeitsrate unter Indigenen darum bis zu doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.

"In Brasilien wird die Misere durch einen Präsidenten befeuert, der die Pandemie kleinredet und aktiv gegen indigene Interessen arbeitet", fügte Bangerts Kollegin Juliana Miyazaki mit Blick auf den rechtsextremen Staatschef Jair Bolsonaro hinzu. Viele Gemeinschaften hätten in Brasilien eigene Kontrollpunkte eingerichtet, um Ankommende zur Quarantäne zu verpflichten oder an der Einreise in ihre Gebiete zu hindern. Doch illegal eindringende Holzfäller oder Goldschürfer, oft sogar medizinisches Personal, brächten auch das Virus mit. Bis Mitte Dezember seien in Brasilien mehr als 42.000 Infektionen und fast 900 Tote unter Indigenen bestätigt worden.

Auch in anderen Staaten Lateinamerikas und der Karibik sind der Gesellschaft zufolge die Zahlen alarmierend. Kolumbien habe bis vor einem Monat etwa 35.000 Infektionen unter Indigenen und über 1.200 Tote gemeldet, Mexiko schätze die Zahl der infizierten Indigenen auf gut 9.000 und die Zahl der Toten auf rund 1.100. Zumeist könnten die tatsächlichen Zahlen aber noch höher liegen, weil vergleichsweise wenig und unsystematisch getestet werde, sagte Miyazaki. Indigene in Ecuador hätten die Tests selbst organisieren und finanzieren müssen.

Auch in Nordamerika seien Ureinwohner ebenfalls wesentlich stärker von der Pandemie betroffen und hätten einen schlechteren Zugang zu Informationen und medizinischer Versorgung. In den USA hätten sie die Auszahlung ihrer Corona-Nothilfe vor Gericht einklagen müssen.

Die indigenen Völker der Arktis, vor allem in Russland, seien dem Virus oft durch Großbaustellen für Ölförder- und Bergbauprojekte ausgesetzt, berichtete Bangert: "Dort tummeln sich Hunderte Menschen aus allen Landesteilen, die Belegschaft wechselt zudem häufig - ideale Bedingungen für die Ausbreitung also." Zudem habe die russische Regierung in den vergangenen Jahren zahlreiche kleinere medizinische Einrichtungen geschlossen. Im Falle einer Infektion seien die Indigenen auf sich allein gestellt.