Diakonie fordert deutlich höhere Hartz-IV-Sätze

Diakonie fordert deutlich höhere Hartz-IV-Sätze
Im nächsten Jahr steigen die Hartz-IV-Sätze. Die Diakonie kritisiert die Leistungen für Langzeitarbeitslose als zu gering und falsch berechnet. Sie hat ein Verfahren vorgelegt, das Hartz-IV-Bezieher besserstellt.

Berlin (epd). Die Diakonie kritisiert die Regelsätze in der Grundsicherung und bei Hartz-IV-Leistungen als deutlich zu niedrig. Die monatlichen Leistungen für einen alleinstehenden Erwachsenen sollten nach Auffassung des evangelischen Wohlfahrtsverbandes um rund 180 Euro höher liegen als derzeit, sagte Vorstandsmitglied Maria Loheide am Freitag in Berlin. Ein alleinstehender Leistungsbezieher erhält ab 1. Januar monatlich 446 Euro, das sind 14 Euro mehr als in diesem Jahr.

Die Diakonie Deutschland forderte den Gesetzgeber auf, die Berechnungsmethode für die Regelsätze grundlegend zu ändern. Dazu hat der Verband ein wissenschaftlich erarbeitetes Konzept vorgelegt. Dieses vermeide die Fehler des aktuell geltenden Verfahrens, sagte Loheide. Die Grünen und die Linke begrüßten den Vorstoß und erklärten, sich mit der Diakonie für höhere Regelsätze einzusetzen.

Loheide nannte die Methode des Gesetzgebers zur Ermittlung der Regelsätze "unsauber". Denn hier würden willkürliche Streichungen von bis zu 180 Euro im Monat vorgenommen - etwa bei Ausgaben für einen Weihnachtsbaum, für Speiseeis oder Haustierfutter. Auch würden über das Sparverhalten von Einkommensarmen "völlig lebensfremde Annahmen" getroffen, die zu Lasten der Leistungsbezieher gingen, sagte Loheide. Trotz der vielen methodischen Mängel hätten Bundestag und Bundesrat im November die Regelsätze für 2021 verabschiedet.

Der Kern des Diakonie-Rechenmodells ist: Die Ausgaben, die Hartz-IV-Beziehern für Grundbedarfe wie Nahrung und Kleidung vom Gesetzgeber zugebilligt werden, dürfen um maximal 25 Prozent hinter dem zurückbleiben, was Privathaushalte mit mittlerem Einkommen hierfür ausgeben. Bei den weiteren Ausgaben darf die Differenz bei höchstens 40 Prozent liegen, wie die Diakonie betont. Auf dieser Basis solle der Regelsatz in der Grundsicherung ermittelt werden.

"Das neue Verfahren stellt sicher, dass der Abstand zwischen dem Existenzminimum und dem mittleren Lebensstandard nicht zu groß ist. Es ist transparent und nimmt keine willkürlichen Kürzungen vor", sagte die Gutachterin der Diakonie, die Verteilungsforscherin Irene Becker: Somit führe es im Unterschied zum aktuellen Berechnungsverfahren zu einer sachgerechten Berechnung des Grundbedarfs.

Die Diakonie schlägt vor, eine Sachverständigenkommission einzusetzen, die die Methodik der Regelsatzermittlung weiterentwickelt. "Wir müssen bereits jetzt Weichen für eine korrekte Berechnung im Jahr 2024 stellen. Es ist genug Zeit, Expertise aus Wissenschaft und Verbänden zu nutzen, damit methodische Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden", sagte Loheide. So würden die Hartz-IV-Regelsätze, wie vom Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2010 gefordert, transparent, sach- und realitätsgerecht ermittelt.

Der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Sven Lehmann, erklärte: "Das Rechenkonzept der Diakonie ist ein großer Gewinn für die Diskussion zu menschenwürdigen Regelsätzen", sagte Lehmann. Die Linksfraktion im Bundestag kommt in eigenen Berechnungen zu dem Ergebnis, dass der Regelbedarf 658 Euro betragen sollte. "Dazu kämen noch Strom- und Wohnkosten", erklärte Katja Kipping, die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion und Parteivorsitzende.

Die FDP sprach sich dafür aus, Hartz-IV-Empfängern mehr von zuverdientem Geld zu lassen. "Dafür müssen die Hinzuverdienstgrenzen angepasst werden", sagte der FDP-Sozialexperte Pascal Kober.