EU-Staaten einig über neues Klimaziel für 2030

EU-Staaten einig über neues Klimaziel für 2030
Emissionen sollen um mindestens 55 Prozent sinken
Kanzlerin Angela Merkel konnte auf dem wohl letzten EU-Gipfel der deutschen Ratspräsidentschaft beim Klimaschutz ein greifbares Ergebnis liefern. Doch ob es angesichts der globalen Erwärmung gut genug ist, wird bezweifelt.

Brüssel (epd). Die EU-Staaten wollen beim Klimaschutz die Gangart verschärfen und haben sich auf ein neues Ziel für 2030 verständigt. Nach einer Nachtsitzung in Brüssel einigten sie sich auf eine Senkung des Treibhausgasausstoßes um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 - die bisherige Marke lag bei minus 40 Prozent. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dies als sehr wichtiges Ergebnis würdigte, übten Umweltschützer scharfe Kritik.

Das Ziel soll von den 27 EU-Ländern gemeinschaftlich erreicht werden, wie aus der Abschlusserklärung des Treffens der Staats- und Regierungschefs hervorgeht. Dabei sollen die unterschiedlichen Situationen berücksichtigt werden - es müssen demnach nicht alle Mitgliedstaaten ihre Treibhausgase gleich drosseln. So ist es auch derzeit. Die Gipfelerklärung bekräftigt ferner das Recht der Länder, selbst über ihren Energiemix zu bestimmen und als "Übergangstechnologien" zum Beispiel Gas zu nutzen.

Davon abgesehen handelt es sich um ein "Netto"-Ziel. Das heißt, der Abbau von in die Atmosphäre gelangtem Gas durch natürliche Senken wie Wälder und technische Verfahren darf angerechnet werden. Damit müssten nicht volle 55 Prozent Emissionen gemindert werden.

Die Sicherheit der Energieversorgung müssten zu einem "für Haushalte und Unternehmen erschwinglichen Preis" gewährleistet werden, erklärten die Staats- und Regierungschefs weiter. Und mindestens 30 Prozent der Mittel aus dem siebenjährigen EU-Haushalt und dem Corona-Wiederaufbaufonds, die bei dem zweitägigen Treffen ebenfalls verabschiedet wurden, sollen zur Klimapolitik beitragen.

Die EU-Kommission ist nun aufgerufen, konkrete Vorschläge zu machen, um das Ziel umzusetzen. Unter anderem soll sie Optionen zur Stärkung des Emissionshandels prüfen, bei dem pro Tonne emittiertem Treibhausgas ein Preis zu zahlen ist. Die Behörde hat schon angekündigt, ihre Pläne bis Ende Juni 2021 vorzulegen.

Merkel, die sich für die neue Marke starkgemacht hatte und wegen Deutschlands EU-Ratsvorsitzes besonders in der Verantwortung stand, äußerte sich am Ende zufrieden. Dass man sich einen Tag vor dem digitalen UN-Gipfel zur Klimapolitik auf eine Reduktion der Treibhausgase um 55 Prozent verpflichtet habe, halte sie für ein "ganz, ganz wichtiges Ergebnis", sagte sie und fügte hinzu: "Dafür hat es sich auch gelohnt, eine Nacht nicht zu schlafen."

Ratspräsident Charles Michel erklärte: "Europa ist der Führer im Kampf gegen den Klimawandel." Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, die Einigung gebe Investoren, Unternehmen, Behörden und Bürgern Gewissheit.

Dagegen brandmarkte Greenpeace die neue Zielmarke als zu lasch. Die Vereinbarung sei nur eine kleine Verbesserung gegenüber den Emissionsminderungen, die die EU in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich ohnehin erreicht hätte, erklärte Experte Sebastian Mang. Die Umweltschutzorganisation erneuerte ihre Forderung einer Senkung der Emissionen um mindestens 65 Prozent. Oxfam verlangte: "Die EU muss dringend praktische Schritte unternehmen, um über dieses Ziel hinauszugehen." Und der WWF Deutschland urteilte: "Das 55-Prozent-'Netto'-Ziel reicht nicht zur Bewältigung der Klimakrise."

Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss war mit dem Ergebnis ebenfalls unzufrieden. Das Ganze sei aber "noch nicht vorbei", kündigte er mit Blick auf die nun folgenden Verhandlungen mit dem Europaparlament an. Denn die EU-Regierungen haben beim Gipfel zwar ihre Position vereinbart. Das Ziel, das im EU-Klimagesetz festgeschrieben wird, muss aber mit dem Parlament zusammen getroffen werden. Und letzteres fordert eine Reduktion der Emissionen um 60 Prozent.