Äthiopiens Premier kündigt letzte Phase der Offensive gegen Tigray an

Äthiopiens Premier kündigt letzte Phase der Offensive gegen Tigray an
Nach massiven Warnungen will Abiy humanitären Korridor einrichten
Die Fronten im Tigray-Konflikt sind verhärtet: Der äthiopische Regierungschef bläst zum Sturm auf die Tigray-Hauptstadt Mekelle, nachdem die TPLF-Führung ein Ultimatum verstreichen ließ. Weltweit wächst die Sorge um die Zivilbevölkerung.

Frankfurt a.M., Addis Abeba (epd). Nach dem Ablauf eines Ultimatums an die Führung der Tigray-Region plant die äthiopische Armee die Eroberung der regionalen Hauptstadt Mekelle. Ministerpräsident Abiy Ahmed kündigte am Donnerstag die letzte Phase der Offensive gegen die Aufständischen an. Das letzte Tor zum Frieden sei nun geschlossen, erklärte er. Die Menschen in Mekelle rief er auf, Waffen abzugeben, sich von militärischen Zielen fernzuhalten und zu Hause zu bleiben.

Weltweit wächst die Besorgnis über eine drohende Eskalation des Konflikts zwischen der Regierung in der Hauptstadt Addis Abeba und der in Tigray regierenden Volksbefreiungsfront TPLF. Hunderte Menschen sind Berichten zufolge bereits getötet worden. Zehntausende sind auf der Flucht.

Abiy erklärte, die Armee werde alles tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen und die Regionalhauptstadt Mekelle nicht schwer zu beschädigen. Zugleich kündigte er die Einrichtung eines humanitären Korridors an, um Hilfsgüter zu Notleidenden zu bringen. Die Regierung hatte der TPLF ein Ultimatum gestellt, sich zu ergeben, das am Mittwochabend abgelaufen war. Die Vereinten Nationen warnten vor möglichen Kriegsverbrechen, sollte die 500.000-Einwohner-Stadt Mekelle gestürmt werden.

Die Regierung teilte auch mit, Tausende TPLF-Kämpfer hätten die Waffen niedergelegt. Die TPLF-Führung bestreitet dies. TPLF-Chef Debretsion Gegremichael hatte laut dem britischen Sender BBC erklärt, seine Kämpfer wollten das Recht verteidigen, die Region zu regieren, und seien bereit zu sterben. Weil die Region weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es keine unabhängigen Berichte über die Lage.

UN-Generalsekretär António Guterres und die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hatten die Konfliktparteien zu Zurückhaltung aufgefordert. Sie müssten alles tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Die Afrikanische Union ernannte drei hochrangige Sondergesandte, die am Mittwoch in Äthiopien eintrafen. Ministerpräsident Abiy hat Vermittlungsangebote jedoch bisher zurückgewiesen. Nach Schätzung der Vereinten Nationen flohen bereits etwa 40.000 Menschen über die Grenze in den Sudan. Eine BBC-Reporterin im Sudan berichtete, die Grenze sei geschlossen worden.

Die katholischen Hilfswerke Caritas international und Misereor forderten Zugang zu Verletzten und Vertriebenen in der Konfliktregion. Etwa 1,5 Millionen Menschen seien durch die vor drei Wochen begonnenen Kämpfe unmittelbar bedroht, erklärten die Organisationen und riefen zusammen mit den Sternsingern zu Spenden auf. Die katholische Kirche in Mekelle habe in einem dramatischen Appell um Hilfe gebeten. Ortschaften würden mit Artillerie beschossen und aus der Luft bombardiert, heißt es in dem Hilferuf.

Die Armee der äthiopischen Regierung und die TPLF liefern sich seit Anfang November heftige Kämpfe um die Kontrolle der Region. Grund ist ein Streit um die Macht und den Einfluss der Tigray-Volksgruppe in der Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy. Die TPLF war maßgeblich am bewaffneten Kampf zum Sturz des Mengistu-Regimes 1991 beteiligt und hatte lange eine starke Stellung in der Staats- und Armeeführung. Abiy gehört der Volksgruppe der Oromo an und amtiert seit 2018. Er sorgte für eine politische Öffnung des Landes und einen Friedensvertrag mit dem Nachbarland Eritrea, wofür er den Friedensnobelpreis erhielt.